Kiel. Alles begann als Luftschloss in der WG-Küche: Die Idee kam auf, mit Mitbewohnern, Nachbarn und Freunden in ein Haus am Stadtrand von Kiel zu ziehen – für immer als WG, mit genug Platz für alle, einer Kuh und einer Halfpipe im Garten. Damals waren sie 13 junge Erwachsene, lebten verteilt auf drei neben- und übereinander liegenden Wohnungen im Altbau in der Wilhelminenstraße in Kiel.

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„Wilde 13“ nannten sie deshalb den Verein, den sie gründeten. Je mehr sich das Luftschloss in einen konkreten Plan verwandelte, desto kleiner wurde die Gruppe. Inzwischen sind sie nur noch zu fünft: Leonie Vogel, Pitt Storm, Marvin Kleinsorge, Deike Böttger und Malte Müller – plus Hund Molli. Der Name ihres Vereins jedoch ist gleich geblieben – ihre Vision auch.

Mietshäuser Syndikat: „Lieber 1000 Freunde im Rücken als eine Bank im Nacken“

„Wir haben für uns festgestellt, dass das Zusammenleben ziemlich gut funktioniert. Das möchten wir auch in Zukunft“, sagt die 32-jährige Leonie Vogel. Das Problem: Die Immobilienpreise sind in Deutschland, auch in Kiel, in den vergangenen Jahren enorm gestiegen und auch nach einem Preissturz im Jahr 2023 weiterhin hoch. Gleichzeitig gab es im Frühjahr 2022 einen rasanten Anstieg der Zinsen für Immobiliendarlehen. Das macht den Hauskauf für die „Wilde 13“ schwer.

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Auf der Suche nach einer Lösung ist der Verein auf das Mietshäuser Syndikat gestoßen, ein Verbund aus knapp 200 Hausprojekten in Deutschland, der sich für langfristig bezahlbaren Wohnraum einsetzt. Das Konzept des Syndikates sieht vor, möglichst auf teure Bankkredite zu verzichten und den Hauskauf zum großen Teil mithilfe von Direktkrediten zu finanzieren. „Lieber 1000 Freunde im Rücken als eine Bank im Nacken“, rezitiert Storm das Prinzip.

Kieler WG will Haus kaufen – und braucht Direktkredite

Konkret heißt das: Statt bei der Bank leiht die Gruppe das Geld zu deutlich geringerem Zinssatz bei Familie, Freunden und Unterstützern. Das können mal 500 Euro, mal 1000 Euro, maximal 10 000 Euro sein – eben das Geld, das auf Girokonten der Menschen herumläge und gerade nicht gebraucht werde, sagt Kleinsorge. Das verliehene Geld wird mit 1,5 Prozent verzinst.

Eine Alternative zur renditestarken Geldanlage ist das also nicht. Viel mehr geht es um Überzeugung. „Die Unterstützer wissen, dass etwas Gutes mit ihrem Geld passiert“, sagt Deike Böttger. Denn sobald ihr Verein ausreichend Kreditzusagen gesammelt und ein passendes Haus in der Nähe von Kiel gefunden hat, gründet er gemeinsam mit dem Mietshäuser Syndikat eine GmbH, die das Haus kauft. Einmal in den Verbund des Mietshäuser Syndikats aufgenommen, soll die Immobilie für immer als solidarisch verwalteter Wohnraum zur Verfügung stehen.

Trotz Hauskauf: Die WG muss Miete bezahlen

Die vielen kleinen Kredite bezahlen die Hausbewohner nach und nach zurück – wie eine monatliche Miete. Wie hoch diese Miete ausfallen wird, kalkuliert die „Wilde 13“ selbst. Dabei muss sie nicht nur den Hauspreis, sondern auch die Betriebskosten und einen Puffer für anfallende Reparaturen und Sanierungen miteinbeziehen. So verringert sich das Risiko, dass es zu einer Finanzierungslücke kommt und das Projekt scheitert.

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Zum Errechnen der Miete bekommt die Gruppe Hilfe von einem erfolgreichen Hausprojekt in Eutin. Die hätten den ganzen Prozess bereits durchgemacht und seien Experten, sagt Böttger. So unterstützten sich die Projekte des Mietshäuser Syndikats gegenseitig.

Hauskauf in Kiel: Ganz ohne Bankkredit geht es nicht

Bisher hat die Gruppe schon mehr als 250 000 Euro an Kreditzusagen bekommen. Überwiegend von Familie und Freunden. Manchmal kämen überraschend weitere Zusagen rein. Eine Arbeitskollegin hätte ihnen 10 000 Euro zugesagt, einfach weil sie das Projekt gut fände, so Storm. Einmal hätten sie eine Kreditzusage im Briefkasten gefunden. Den Absender habe keiner von ihnen gekannt.

Dass sie die Endsumme für den Hauskauf ganz ohne die Hilfe der Bank zusammenkriegen, bezweifeln die fünf jungen Leute. Trotzdem hoffen sie auf möglichst viele Direktkredite, bewerben ihr Projekt online, auf Sommerfesten und Info-Abenden. Doch je länger es dauert, die Kreditzusagen zu sammeln, desto geringer die Chance, dass ihre Wunschimmobilie noch auf dem Markt ist.

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„Wilde 13“ aus Kiel wieder auf Haussuche

So sei es mit dem jüngsten „Traumhaus“ in Ottendorf gewesen, und auch mit dem davor in Hasseldieksdamm, berichten die Freunde. Nun sind sie wieder auf der Suche. Zweifel, dass ihr Projekt überhaupt klappt, hätten sie alle schon mal gehabt. Doch am Ende überwögen die gemeinsame Vision und der Zusammenhalt. Ein Leitspruch des Vereins „Wilde 13“ lautet: „Besser eine Gruppe ohne Haus als ein Haus ohne Gruppe.“ Noch viel besser wäre natürlich: eine Gruppe mit Haus.

KN



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