Im Debüt des kongolesisch-belgischen Regisseurs und Musikers Baloji prallen Traditionalismus, Aberglaube und modernes Leben aufeinander.

Ein Gesicht mit maskenhaften gelben Augen wird von rosa Rauch teilweise überdeckt

Baloji inszeniert mit visuellem Wagemut: Omen (Marc Zinga) in „Omen“ Foto: Grandfilm

Koffi (Marc Zinga) will alles richtig machen. Zu Hause in Belgien hat er noch seinen Afro abrasieren lassen und sein Swahili aufgefrischt, um einen ordentlichen Eindruck zu machen. Nach vielen Jahren kehrt er in den Kongo zurück, um für seine Heirat mit Alice (Lucie Debay) den Segen seiner traditionsbehafteten Familie einzuholen. Nach ihrer Ankunft am Flughafen bahnen sich beide mit einem Mietwagen den Weg durch das Verkehrschaos der Großstadt. Koffis Unsicherheit am Steuer und seine kläglichen Versuche, Einheimische nach dem Weg zu Fragen, markieren ihn als Außenseiter einer einst vertrauten Welt.

Der belgisch-kongolesische Musiker und Filmemacher Baloji baut zu Beginn seines vielbeachteten Spielfilmdebüts „Omen“ eine mehr als unbehagliche Stimmung des Fremdseins auf. Denn schlimm wird es für das Paar erst nach der Ankunft bei der Familie, die sich im Garten von Koffis Mutter (Yves-Marina Gnahoua) versammelt hat. „Sag zu allem ja, mach keine Probleme“, schärft der nervöse Koffi seiner Partnerin ein.

Seine Verwandten reagieren desinteressiert bis abweisend. Hämische und spitze Bemerkungen über Koffis Haare und seine weiße Verlobte fallen. In einer so eindrucksvollen wie humorvollen Szene, in der er darum bittet, seinen neugeborenen Neffen zu halten, zeigt Baloji geschickt die Entfremdung zwischen seiner Hauptfigur und dessen Familie. Die Mutter des Kindes willigt ein, aber man sieht nach einem Kamera­schwenk ihre flehenden Gesten, mit denen sie ihren Unmut äußert.

Die Situation eskaliert sogleich, als Koffi Nasenbluten bekommt und einige Tropfen auf dem Gesicht seines Neffen landen. Für die Familie ein Zeichen, dass er das Kind verflucht hat. Seine Verwandten halten ihn seit seiner Geburt für besessen. Deshalb nennen sie ihn abschätzig Zabolo, Zeichen des Teufels. Erst der Verlauf des Films offenbart, dass Koffi deswegen nach Europa gegangen ist.

Der Auftakt von „Omen“ macht klar, worum es Baloji geht: das Aufeinanderprallen von Traditionalismus, Aberglauben und modernem Leben. Zugleich ist der Film eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen kulturellen Disparität als Sohn eines belgischen Vaters und einer kongolesischen Mutter. Der Film verlässt dabei relativ schnell die Bahnen einer konventionellen Dramaturgie.

Nicht nur Koffi und Alice stehen im Zentrum des Films, sondern auch Koffis jüngere Schwester, die sich ebenfalls für ein modernes Leben entschieden hat, und seine Mutter, die in ihrem strengen, distanzierten und doch tief verletzten Wesen im Grunde nur das Resultat religiös-patriarchaler Zurichtung ist.

Jugendgang in Pink

Hinzu kommt der Anführer einer Jugendgang, dessen Weg sich mit Koffi kreuzt und der mit seinen Anhängern in pinken Prinzessinnenkleidern mit einer anderen Bande um die Vormacht auf der Straße rivalisiert. Nicht nur in den hinreißenden Kostümen (von Baloji selbst entworfen) mit ihrer queeren Ästhetik und ihren schaurigen Masken, mit denen die Gangs durch die Straßen ziehen, zeigt sich der große Einfallsreichtum des Films.

Wenn sich zwei Männer, angefeuert von einer tobenden Menge, vor einem gigantischen Kohleberg im Tauziehen messen oder wenn das Märchen um Hänsel und Gretel im kongolesischen Dschungel eine Neuinterpretation erfährt, finden Baloji und sein Kameramann Joachim Philippe für den Dualismus aus Tradition und Moderne faszinierend surreale Bilder.

Der visuelle Wagemut Balojis, der ebenso wie der kürzlich erschienene nigerianische Film „Mami Wata“ viel Aufmerksamkeit auf das oftmals vernachlässigte afrikanische Kino lenkt, geht leider auf Kosten der Erzählung. Der Film hat wenig Interesse daran, die losen Fäden der Geschichte konsequent zu Ende zu führen.

Das ist schade, da man gerne mehr von den Konfliktlinien rund um Koffi erfahren hätte, die zu Beginn noch so verheißungsvoll ausgelegt wurden und sich im Laufe des Films verlieren. So ist man letztlich hin- und hergerissen zwischen der Schönheit der Bilder und dem Wunsch nach etwas mehr Konsistenz.



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