BERLIN. Finanzminister Christian Linder (FDP) sowie Vertreter der Koalitionspartner SPD und Grüne haben eine scharfe Auseinandersetzung über Sozialleistungen und Abgaben begonnen. Während der FDP-Chef Steuererleichterungen ankündigte, fahren die Koalitionspartner die alten Geschütze auf. Derweil schießen Meldungen über das bevorstehende Ampel-Ende ins Kraut.

Damit die kalte Progression die zuletzt hohen Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer nicht sofort ins Staatssäckel umleitet, so argumentiert Lindner, müßten die Steuerfreibeträge für Geringverdiener angehoben und die Erleichterungen auch auf die darüber folgenden Schichten ausgedehnt werden.

SPD und Grüne reagierten scharf. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch tat Lindners Pläne in der Welt als „Steuersenkungen für die Reichsten des Landes“ ab. Diese hätten „keine Priorität“. SPD-Finanzexperte Michael Schrodi warf Lindner eine „Entlastung von Spitzenverdienern“ vor.

Lindner: Rot-Grün „fehlt Respekt vor Steuerzahler“

Darauf konterte der Finanzminister: „Fairneß verdienen nicht nur Geringverdiener. Auch die Leistung der Fach- und Führungskräfte sowie des Mittelstands muß anerkannt werden.“ Gleichzeitig kritisierte Lindner die Höhe des Bürgergeldes, das zuletzt innerhalb von 13 Monaten um 25 Prozent angehoben wurde: „Manche haben kein Problem, mit viel Steuergeld zu finanzieren, wenn Menschen nicht arbeiten. Mir fehlt bei den Koalitionspartnern dagegen der Respekt vor den Steuerzahlern.“

Das klingt nach Profilierung auf beiden Seiten, um die Stammwähler zu binden. Doch zerbricht deswegen das rot-grün-gelbe Bündnis? Der Spiegel überschrieb seinen Artikel über den Koalitionskrach am Dienstag mit: „Läßt Christian Lindner jetzt die Ampel platzen?“ Im Text heißt es über die Beratungen für den Haushalt 2025: „Sollte es keine Einigung geben, war es das mit dieser Regierung, ohne Etat keine Ampel mehr.“

Schuldenbremse als Sollbruchstelle?

Sollten SPD und Grüne auf einer Aufweichung der Schuldenbremse im Grundgesetz beharren, wären die Fronten, so der Spiegel, auch nach langen Verhandlungen verhärtet: „Für Lindner wäre das womöglich die perfekte Vorlage, um die Koalitionsfrage zu stellen. Die Argumentation der FDP könnte dann ungefähr so gehen: Wir haben einen rechtskonformen Haushalt vorgelegt, an den die anderen sich leider nicht halten wollen.“

Auch Lindner heizte die Spekulationen um ein bevorstehendes Regierungsende an. In der Zeit sagte er kürzlich: Der Wechsel der FDP von der sozialliberalen in eine Koalition mit der Union 1982 habe ihn „immer beeindruckt“. Und gestern lehnte die FDP auch noch mit massiver Kritik die Kindergrundsicherung, das Lieblingsprojekt von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), ab.

Derzeit legt der Finanzminister seine Sparpläne den Kollegen vor. Diese hätten demnach kräftig zu kürzen. Das Außenministerium von Annalena Baerbock (Grüne) soll rund 25 Prozent einsparen. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) müßte auf 1,2 Milliarden Euro verzichten. Und die grüne Paus hätte 900 Millionen Euro weniger zur Verfügung als in diesem Jahr. (fh)



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