„Und Sesam, öffne dich …“, sagt Charly (Frederick Lau), als der Schließzylinder nachgibt. Der Kunde, der den Schlüsseldienst in der Nacht zu einer Kegelbahn in Berlin-Wedding gerufen hat, zeigt sich zufrieden. Aber anders als im Märchen aus „Tausendundeine Nacht“ wartet hinter der Tür eine unangenehme Überraschung. Ein paar „alte Bekannte“ haben sich hier versammelt und schauen finster drein.

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In seinem früheren Leben war Charly ein versierter Safeknacker. Nach einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt hat er seine kriminelle Karriere beendet und führt nun mit Frau Samira (Svenja Jung) und dem gemeinsamen Sohn Jonas (Jonathan Tittel) ein glückliches, gesetzestreues Leben. Aber die Gangster in der Kegelbahn leiden unter Fachkräftemangel und fordern Charlys Unterstützung für einen letzten Coup an. Ein Nein wird als Antwort nicht akzeptiert.

Charly muss seine Familie in Sicherheit bringen

Der Raubzug richtet sich gegen den gefürchteten Clan der Al-Walids. In deren Panzerschrank liegt eine millionenteure Münze aus dem Zarenreich, die aus dem Berliner Heraklion-Museum entwendet wurde. Das Wertstück soll an einen österreichischen Bordellbetreiber verkauft werden, der es wiederum einem mächtigen russischen Mafiapaten versprochen hat. Aber der Einbruch endet in einer Schießerei, bei der der Bruder des Clanchefs ermordet wird. Fortan hat Charly rivalisierende Gangsterkollektive auf den Fersen. Frau und Kind werden nach Marseille evakuiert, wo sein Knastkumpel Rami (Kida Khodr Ramadan) auf sie aufpassen soll.

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Derweil macht sich Charly mit dem österreichischen Fahrer Joseph (Christoph Krutzler) auf nach Wien, um die Münze zu verkaufen, von deren Erlös er sich und seine Familie vor dem rachsüchtigen Clanchef Hassan (Erdal Yildiz) in Sicherheit bringen will. Berlin, Wien, Marseille – über drei Städte spannt sich der Erzählbogen der neuen deutschsprachigen Netflix-Serie „Crooks“. Als Showrunner fungiert hier Marvin Kren, der schon mit „4 Blocks“ einschlägige Milieuerfahrungen vorweisen kann.

In bewährter Netflix-Manier werden die drei Erzählstränge in mehrminütige Scheibchen geschnitten und zu einer hochfunktionalen Spannungsdramaturgie hintereinander montiert. Die drei Handlungsorte werden nicht nur mit unterschiedlichem Personal, sondern auch mit einer eigenen Farbpalette und Bildsprache ausgestattet, wodurch auch atmosphärisch gewinnbringende Kontraste entstehen.

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Wien überzeugt schauspielerisch

In schauspielerischer Hinsicht kann eindeutig das Team Wien am meisten überzeugen. Karl Welunschek ist brillant als arroganter Oberlude „Der Rote“, der sich für unangreifbar hält, weil die ganze Machtelite der Stadt in seinem Bordell aus- und eingeht. Anders als in Berlin, wo Konfrontationen mit brutaler Härte ausgetragen werden, geben in der österreichischen Hauptstadt Intrigen und Korruption den kriminellen Ton an. Unter der trügerischen, mediterranen Sonne Marseilles wiederum besteht das organisierte Verbrechen aus einem fein verzweigten Dealernetzwerk, das der gewiefte Drogenhändler Sharif (Samir Decazza) wie ein Orchester dirigiert – wohl wissend, dass die eigentliche Macht in den Händen der korsischen Mafiachefin Griselda (Virginie Peignien) liegt.

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Etwas klischeehaft fällt dagegen die Darstellung des arabischen Clans in Berlin aus, dessen Familienmitglieder mit hyperventilierender Maskulinität von toxischen Ehr- und Rachegefühlen angetrieben werden. Mitten in diesen paneuropäischen Gangsterdschungel platzieren Kren und seine Co-Drehbuchautoren Benjamin Hessler und Georg Lippert eine langsam aufblühende Männerfreundschaft zwischen dem agilen Safeknacker Charly und dem stoischen Fahrer Joseph, der schon bald zum stark pochenden Herz des Filmes wird. Christoph Krutzler ist schlichtweg hinreißend in der Rolle des scheinbar unauffälligen Kleinkriminellen, der im großen Getriebe des organisierten Verbrechens seinem eigenen Ehrenkodex zu folgen versucht.

„Crooks“, Netflix, mit Frederick Lau, Kida Khodr Ramadan, ab Freitag streambar



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