Kommt auch nicht häufig vor: Der neue Bremer Tatort:
Angst im Dunkeln
(RB-Redaktion: Lina Kokaly) macht nahtlos da weiter, wo
der Polizeiruf aus Świecko letzte Woche aufgehört
hat
– mit Drohnenaufnahmen von einem Wald aus einem Grenzgebiet. Hier ist es
nicht das zwischen zwei Ländern (Polen und Deutschland), sondern zwischen zwei
Bundesländern (Bremen und Niedersachsen). In diesem Wald liegt die Leiche von
Marlene Seifert (Inez Bjørg David).

Mit der Geschichte
drumherum macht es Bremen allerdings viel besser. Marlene Seifert war mit zwei
Freundinnen unterwegs, um eine verschärfte Fortbildungsmaßnahme für ihre
jugendlichen Kinder zu testen, die ebenfalls befreundet sind. Beim Dropping wird eine Gruppe im Wald ausgesetzt und muss
sich mit klassischem Navigationsgerät (Kompass) zurück in die Zivilisation
finden.

Das mit den
Freundschaften ist bei genauerem Hingucken so eine Sache: Niemand kann Marlene Seifert leiden, die als Leiterin des Landesamts für Denkmalpflege Bauanträge
genehmigen muss, die etwa Architekt
Mirko (Matthias Lier) stellt, der geschiedene Mann von Freundin Viola Klemm
(Sophie Lutz). Die andere Freundin Ayla Ömer (Pegah Ferydoni) hat ein
Verhältnis mit Marlenes Mann Klaus (der große Henning Baum), wovon ihr eigene
Gatte Deniz (Joel Akgün) weiß. 

Die Kinder sind
ebenfalls im Wald, um heimlich das Scheitern ihrer Mütter zu beobachten. Und liefern weiteren
Konfliktstoff: Hier ist Anselm Klemm (Carl Bagnar) der Unsympath, dessen
Schwester Imogen (Marie Becker) unter einem Video leidet, das sie lächerlich
gemacht hat – aus “Rache” dafür, dass Imogen der Seifert-Tochter Lily
(Lucy Gartner) einen Zwölftklässler ausgespannt hat.

Das erzählt Marlene Seifert, die das Video geschnitten und gepostet hat, am Ende Viola Klemm in
dunkler Nacht. Weshalb man sich fragen kann, ob es noch bescheuerter ist,
solche Geständnisse nachts im Wald in desolatem Zustand abzulegen, aus dem die
drei Mütter nicht herausfinden, als die eigenen Kinder beim Cybermobbing zu
unterstützen, was ja schon an Blödheit kaum zu übertreffen ist.

Um die Spannung noch
zu erhöhen, geistert der “Handymann” durch diesen Fall. Werner Behrens (Alexander Wüst) ist ein Stalker, der vor Jahren schlafende Frauen beim
Zelten im Wald mit deren Handys fotografiert und eine, die nicht schlief,
umgebracht hat, wie sich am Ende von Angst im Dunkeln herausstellt.
Behrens wohnt in einem Zimmer, deren Wände mit einem vergrößerten Foto aus dem Wald
tapeziert ist, er hat Kameras an Bäumen angebracht, die bei Bewegung anspringen
und Bilder auf sein Handy übertragen. Ein obsessiver, kontrollsüchtiger
Charakter, den Kommissarin Selb (Luise Wolfram) allein zu Hause aufsucht. Zum
Glück überfordert Selb Behrens mit ihrer nerdigen Art, sodass man in der Situation keine
Angst um sie haben muss.

So packt dieser Tatort
zwei Filme in einen – den Psychothriller, der vom gruseligen Werner Behrens
ausgeht, und den Cluedo-haften Whodunit-Krimi, der im Freundeskreis von Marlene Seifert spielt. Bei Letzterem geht das darum, die Verlogenheiten hinter den
schicken bürgerlichen Fassaden der wohlständigen Familien herauszuarbeiten. Und
das hat mitunter etwas Komisches, wenn, wie in einem Boulevardtheaterstück, das
ganze Personal in dem Wald auftritt, in dem die drei Frauen doch eigentlich
verloren sind. 



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