Schwerin. Es gilt als eines der ältesten Fußballstadien Deutschlands, inzwischen grasen Schafe auf dem Rasen: Das Schweriner Stadion Paulshöhe, 1922 eröffnet und genau 100 Jahre später geschlossen, befindet sich im desolaten Zustand. Tore und Zäune rosten vor sich hin. Das Kassenhäuschen ist verrammelt, davor liegt ein alter Autoreifen.

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Eigentlich sollten in diesen Wochen die Abrissbagger anrollen und Platz schaffen für den geplanten „Wohnpark Paulshöhe“. Das attraktive Grundstück mit Blick auf den Faulen See liegt in einer parkähnlichen Umgebung mit Villen in der Nachbarschaft. Doch das alte Stadion wehrt sich gegen sein Verschwinden – bisher mit Erfolg.

Stadion Paulshöhe: 3,5 Hektar in bester Lage am See

„Die Paulshöhe zu schließen, war die größte Fehlentscheidung, die die Stadt je gemacht hat“, sagt Frank Ridder. Der 57-Jährige ist sportlicher Leiter bei der SG Dynamo Schwerin. Der alte Platz mit Kultstatus war ihr Heimstadion. 2022 wurde das letzte Spiel abgepfiffen. Die Schweriner Wohnungsgenossenschaft will auf den 3,5 Hektar neue Wohnungen bauen, die benachbarte Waldorfschule plant eine Erweiterung.

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Doch die Stadtvertretung wurde sich nicht einig und verweigerte dem Bebauungsplan vor einigen Wochen die Zustimmung. Seitdem herrscht Stillstand: Stadion geschlossen, Neubau gestoppt.

Blick auf den Sportplatz Paulshöhe in Schwerin.

Blick auf den Sportplatz Paulshöhe in Schwerin.

Befände sich das Stadion im Neubauviertel Großer Dreesch, „hätte man es nicht geschlossen“, meint Reno Albrecht (57), Geschäftsstellenleiter bei Dynamo Schwerin. Er glaubt, dass es der Stadt ums Geld geht. Bürgermeister Rico Badenschier (SPD) betont dagegen, dass die Fläche durch die Bauprojekte „nicht zur Gewinnmaximierung“ genutzt werde. Die Entscheidung zur Schließung stammt bereits von 2010. Initiativen für den Erhalt entstanden, Bürgerforen wurden abgehalten. Inzwischen wollen mehrere Fraktionen, dass auf Paulshöhe wieder gekickt wird. „Von ganz links bis ganz rechts“, sagt Stadtvertreter Daniel Trepsdorf (Linke), dessen Fraktion für Abriss und Bebauung stimmte.

Rückenwind aus der Politik für das Schweriner Stadion

Die „Aktionsgruppe Stadt- und Kulturschutz“ (ASK) hat eine vorläufige Wiederaufnahme des Spielbetriebs beantragt, zumindest bis tatsächlich gebaut wird, die „Unabhängigen Bürger“ ebenfalls. Sebastian Ehlers, CDU-Landespolitiker und Schweriner Stadtpräsident, hält eine Neueröffnung für „denkbar“. Die AfD möchte, dass die Paulshöhe dauerhaft als Stadion erhalten bleibt. SPD und Linke sind für Abriss und Neubau. Klassische Patt-Situation.

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Bevor der Ball über den Rasen rollte, wurde auf der Paulshöhe mehr als 100 Jahre lang Bier gebraut. Die Brauerei verschwand, zu den Fußballspielen kamen später mitunter Tausende Zuschauer, sagt Frank Ridder. Die Heim-Fankurve hatte den bezeichnenden Namen „Donnerberg“. Reno Albrecht vermutet, dass es am früheren Image des Vereins liege, dass sie bei der Stadt kaum Gehör fänden. „Für die sind wir ein rotes Tuch.“ Nach der Wende hätte Dynamo Schwerin erst als einstiger Stasi-Club und dann ein Teil der Anhänger als rechts gegolten. „Damals war alles in Bewegung“, sagt Albrecht. Das sei lange vorbei.

Mannschaften trainieren über die Stadt verteilt

Die Zahl der Jugendmannschaften habe sich innerhalb eines Jahres verdreifacht, auch weil viele Flüchtlingskinder mitspielen. Seit der Schließung von Paulshöhe trainieren die verschiedenen Teams im neuen Sportpark im Stadtteil Lankow und verteilt in der ganzen Stadt. Die erste Mannschaft spielt in der Oberliga Nordost, das ist die fünfte Liga. „Ein richtiges Vereinsleben ist kaum noch möglich“, sagt Frank Ridder.

OZ



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