München – Anderswo in München stehen Baustellen still, werden Neubauprojekte gestoppt oder fangen gar nicht erst an. “Wer heute baut, geht bankrott”, war zuletzt vom Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft (ZIA) zu hören – weil gestiegene Baukosten und teure Kredite Bauträger reihenweise in die Pleite treiben. Wolfgang Bogner aber, der gerade am Kirschgelände in Untermenzing neben einem riesigen Haufen Abbruchbeton steht, zuckt nur tiefenentspannt mit den Schultern.

“Pleite gehen, weil man baut?”, sagt der Projektentwickler, “das würde ich nicht unterschreiben.” Die Lieferprobleme für Baustoffe seien vorbei, Handwerker und Baufirmen seien wegen anderer Projektstopps wieder zu haben, und die würden jetzt auch keine überhöhten Preise mehr diktieren. “Krise hat auch Vorteile”, sagt Bogner, er baue auf jeden Fall, und zwar genau jetzt.

“Kirschgärten” in München: Bis in die 1954 stand hier das Dampfsäge- und Hobelwerk

Nach neun Jahren Planung beginnt die Eckpfeiler Immobiliengruppe aus Pullach, deren Geschäftsführer Bogner ist, westlich der Bahnlinie nach Dachau 1300 Wohnungen für rund 3000 Bewohner zu bauen, die sogenannten “Kirschgärten”. Bis in die 1950er Jahre war auf dem zwölf Hektar großen Grundstück das Dampfsäge- und Hobelwerk “Theodor Kirsch und Söhne” gestanden.

Seither breitet sich zwischen den Einfamilienhäusern von Allach und Obermenzing eine Betonwüste mit zwölf flachen Lager- und Speditionshallen aus. Täglich liefern Schwerlaster Güter an oder weg, die dörfliche Nachbarschaft im Nordwesten Münchens belastet das seit Jahren.

Ein Draufblick auf die noch stehenden Lagerhallen am Kirschgelände. Dahinter grenzen viele Einfamilienhäuser von Untermenzing an.
Ein Draufblick auf die noch stehenden Lagerhallen am Kirschgelände. Dahinter grenzen viele Einfamilienhäuser von Untermenzing an.
© Daniel von Loeper
Ein Draufblick auf die noch stehenden Lagerhallen am Kirschgelände. Dahinter grenzen viele Einfamilienhäuser von Untermenzing an.

von Daniel von Loeper

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Für ein klimaneutrales Neubauviertel in Untermenzing kommt nun der Beton weg

Das findet jetzt ein Ende. Denn Eckpfeiler hat das Gelände 2015 gekauft und beginnt nun damit, den Beton abzuräumen für ein grünes, klimaneutrales Viertel in Holzhybridbauweise. Ein Landschaftspark ist statt der Betonwüste auf dem Plan zu sehen, dazu Stadtgärten auf Dachterrassen, Läden, Gastronomie, vier Kitas und eine Grundschule, die die Stadt baut. Das Viertel wird weitgehend autofrei sein, mit neuer Bushaltestelle, Radlweg, Stationen für 30 Carsharing-Autos und Platz für Lasten-E-Bikes.

520 Wohnungen sind geförderte und preisgedämpfte, die anderen sollen später teilweise Eigentumswohnungen werden. “Schade”, sagt Wolfgang Bogner, “dass von den historischen Industriegebäuden des Dampfsägewerks nichts mehr da ist.” Es hätte ihm Spaß gemacht, einzelne Denkmäler in seinem Neubauviertel zu integrieren. Wie ein Stück weiter nördlich in Allach am Diamalt-Gelände, wo das alte Kesselhaus mit Kamin und die Suppenwürze der früheren Fabrik stehenbleiben, umringt von Neubau.

Rechts im Bild: Hier beginnt aktuell der Abriss, auch der Flachbau daneben wird noch fallen. Es entsteht eine Grundschule fürs Neubauviertel.
Rechts im Bild: Hier beginnt aktuell der Abriss, auch der Flachbau daneben wird noch fallen. Es entsteht eine Grundschule fürs Neubauviertel.
© Daniel von Loeper
Rechts im Bild: Hier beginnt aktuell der Abriss, auch der Flachbau daneben wird noch fallen. Es entsteht eine Grundschule fürs Neubauviertel.

von Daniel von Loeper

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Kirschgelände in München: “Es wird sich ab sofort gravierend verändern”

Gerade ist der erste Bagger angerollt und hat im Nordost-Teil des Grundstücks, wo das Schulgelände hinkommt, die ersten kleinen Hallen abgerissen. “Wir machen das Grundstück frei und übergeben es als Baugrube der Stadt”, sagt Bogner. Im April fällt die rund 70 Mal 100 Meter lange Megahalle an der Bahnlinie im Südostteil, wo bis November noch Toilettenpapier und anderer Sanitärbedarf gelagert war.

Denn dort beginnt der erste Bauabschnitt mit 226 geförderten Wohnungen (die später über das städtische Wohnungsamt vergeben werden). Der Bauantrag sei eingereicht, im Herbst, denkt Bogner, sollte die Genehmigung da sein, dann könne man mit dem Bau loslegen, der 2026 fertig sein soll.

Wenn das Neubauviertel "Kirschgärten" fertig ist, können die neuen Bewohner auf ihren begrünten Gemeinschaftsdachterrassen Salat und Tomaten pflanzen.
Wenn das Neubauviertel “Kirschgärten” fertig ist, können die neuen Bewohner auf ihren begrünten Gemeinschaftsdachterrassen Salat und Tomaten pflanzen.
© Visualisierung: Eckpfeiler HH Vision
Wenn das Neubauviertel “Kirschgärten” fertig ist, können die neuen Bewohner auf ihren begrünten Gemeinschaftsdachterrassen Salat und Tomaten pflanzen.

von Visualisierung: Eckpfeiler HH Vision

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“Das ganze Gelände wird sich ab sofort gravierend verändern.” Stück für Stück räumen die noch etwa 50 Gewerbemieter ihre Hallen und Werkstätten. Dann wird gestaffelt gebaut: Zuerst an der Ostseite. Dort schirmen sechsgeschossige Blöcke den Lärm der Bahn ab.

In die Mitte kommen sieben- bis neunstöckige Häuser. Die letzten Wohnungen entstehen im Südwesten nur noch dreistöckig, dort grenzt das neue Viertel an die benachbarten Einfamilienhäuser von Untermenzing an.

Mega-Baustelle in Untermenzing: 6000 Tonnen Abriss-Beton werden wiederverwendet

Parallel ist längst angelaufen, was der Eckpfeiler-Chef “gelebte Kreislaufwirtschaft” nennt: 6000 Tonnen Beton aus dem Schulgrundstück lässt er recyceln und für Fundamente und Schallschutzwände wiederverwenden.

Aus der Megahalle sind 3000 Quadratmeter Wellblechfassade aus den 80er-Jahren schon zur Weiterverwertung verkauft. Genau wie drei mannshohe Trafos aus dem Hallenkeller, ein Fluchttreppenturm aus Stahl, Rolltore und Innenbrandschutztüren. “Bisher”, sagt Bogner, “hat man bei einem Abriss fast alles weggeworfen. Das machen wir nicht mehr.” Wenn alles glatt läuft am Kirschgelände, sollen 2030 die letzten Mieter eingezogen sein.





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