Feldmoching/ Daglfing – Ganz im Osten, dort wo München schon fast endet, baut Hans Oberfranz Raps, Soja, Weizen und Braugerste an. 2010 hat er den Betrieb in Daglfing übernommen. Fast ebenso lange fragt er sich, wie lange er noch weiter machen kann. Denn genau da wo seine Felder liegen, plant das Rathaus einen neuen Stadtteil. 30.000 Menschen sollen hier leben, 10.000 hier arbeiten.

So sieht der Übersichtsplan für den neuen Stadtteil im Nordosten aus. 30.000 Menschen hätten hier Platz.
So sieht der Übersichtsplan für den neuen Stadtteil im Nordosten aus. 30.000 Menschen hätten hier Platz.
© rheinflügel severin/bbz
So sieht der Übersichtsplan für den neuen Stadtteil im Nordosten aus. 30.000 Menschen hätten hier Platz.

von rheinflügel severin/bbz

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Für das Neubaugebiet gibt es einen Entwurf – mit Badesee, Sportanlagen, Grünflächen und über 11.000 Wohnungen. Doch es gibt einen Haken: Der Grund, auf dem die Stadt all das plant, gehört ihr größtenteils nicht – sondern Landwirten wie Hans Oberfranz und anderen Besitzern. 500 Eigentümer teilen sich das 600 Hektar große Gebiet, das ist fast so groß wie ganz Berg am Laim.

Um die Siedlung trotzdem zu verwirklichen, hat der Stadtrat 2011 beschlossen, Vorbereitungen für eine sogenannte “Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme” (SEM) zu starten. Diese soll eine Planung aus einem Guss ermöglichen und erlaubt theoretisch, dass die Stadt die Eigentümer enteignet, wenn sie nicht bereit sind, Grundstücke zu verkaufen. SPD, Grüne und auch das Planungsreferat betonen, dass sie das nicht wollen.

Neubaugebiet im Nordosten von München geplant: “Es war ein Schock für uns alle”

Dass die Stadt so ein großes Baugebiet plant, wo seine Felder liegen, habe er damals aus der Presse erfahren, sagt Landwirt Oberfranz. “Es war ein Schock für uns alle”, sagt er. Bis heute habe es mit der Stadt kein einziges Gespräch auf Augenhöhe gegeben. “Die SEM zielt bloß darauf ab, so lange Druck aufzubauen, bis die Eigentümer schließlich aufgeben”, meint er. Seine Existenz als Landwirt sieht er bedroht. Und so würden das auch die anderen Landwirte im Münchner Nordosten sehen, sagt Oberfranz.

Auch im Münchner Norden in Feldmoching hat die Stadt 2020 Vorbereitungen für eine SEM begonnen. Hier geht es um ein 900 Hektar großes Gebiet, das heute größtenteils Acker ist. Auch hier fürchten viele Landwirte, dass sie ihren Betrieb aufgeben müssen, wenn die Stadt die Pläne für eine Bebauung durchzieht. Und auch hier ist das Misstrauen groß. Eigentlich hat die Stadt für diesen Herbst im Norden eine Ideenwerkstatt geplant. “Eine reine Alibiveranstaltung”, sagt ein Gemüsegärtner, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. “Bei der russischen Präsidentschaftswahl weiß auch jeder, wie es ausgeht.”

Rot eingezeichnet sind die 900 Hektar in Feldmoching, die die Stadt ebenfalls überplanen will.
Rot eingezeichnet sind die 900 Hektar in Feldmoching, die die Stadt ebenfalls überplanen will.
© LHM
Rot eingezeichnet sind die 900 Hektar in Feldmoching, die die Stadt ebenfalls überplanen will.

von LHM

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Der Gemüsegärtner hat – so wie Hans Oberfranz – aus der Zeitung erfahren, dass die Chancen, dass seine Kinder auf seinem Grund eines Tages ebenfalls Salat, Radieschen oder Kraut anbauen, eher gering sind. Der Landwirt nennt das, was die Stadt mit der SEM vorhat, “reinen Kommunismus”.

CSU-Chef Manuel Pretzl: Die Situation ist viel zu verfahren

“Die Androhung einer SEM bis hin zu Enteignungen war ein kommunikatives Desaster”, sagt Manuel Pretzl, der Chef der CSU im Stadtrat. “Seit über zehn Jahren ist im Münchner Nordosten nichts passiert und es wird auch die nächsten Jahrzehnte nichts passieren.” Viel zu verfahren ist die Situation aus seiner Sicht. Pretzl will deshalb bald beantragen, die SEM im Norden und im Nordosten zu beerdigen. Stattdessen müsse die Stadt versuchen, sich mit einzelnen Eigentümern zu einigen, die bereit sind, zu verkaufen. Für diese Gebiete sollte die Stadt dann Bebauungspläne aufstellen.

Dass da dann am Ende wahrscheinlich keine Siedlung für 30.000 Menschen herauskommt, ist Pretzl bewusst – und das war ihm auch ohnehin immer zu viel. Aber mit der Art und Weise, wie die Stadt jetzt vorgeht, bekomme sie gar nichts. “Wenn die Stadt von Anfang an versucht hätte, sich mit einzelnen Eigentümern zu einigen, könnten auf beiden SEM-Gebieten zusammen heute sicher 3000 bis 5000 Wohnungen stehen”, glaubt Pretzl.

Er ist dagegen, die Landwirte zum Verkauf zu zwingen: “Grün-Rot kann nicht auf der einen Seite predigen, wie wichtig es ist, regionale Nahrungsmittel zu kaufen – und auf der anderen Seite die regionale Landwirtschaft kaputt machen.” Das sehen die beiden Landwirte ähnlich. Das Gemüse, das in Feldmoching wächst, kann man auf dem Viktualienmarkt kaufen und in Restaurants in und um München essen. Aus Hans Oberfranz Braugerste wird unter anderem Augustiner Bier.

Ein zweites Neuperlach? Auf gar keinen Fall!

Würde die Stadt “kleinere Brötchen backen” und sich von der SEM verabschieden, wären wir zu Gesprächen bereit”, sagt Oberfranz. Er weiß, dass auch andere Eigentümer das so sehen. “Aber so, wie es gerade läuft, mag keiner mehr.” Der Gemüsegärtner aus Feldmoching klingt ähnlich.

Die Stadt habe “Maß und Ziel” verloren – schließlich seien die Straßen in Feldmoching schon heute völlig verstopft. Ein zweites Neuperlach Süd, dort wo heute seine Gemüsefelder sind, kann er sich nicht vorstellen, meint er.





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