München – AZ-Interview mit Helen Koch und Luc Ouali. Sie engagieren sich in der Klimabewegung und sind bei Fridays For Future aktiv. Sie haben die beiden Großdemos gegen rechts mitorganisiert.

AZ: Helen Koch und Luc Ouali, für den 31. Mai haben Sie den nächsten Klimastreik angekündigt. Warum?
HELEN KOCH: Anfang Juni sind die Europawahlen, das ist für uns ein sehr wichtiger Moment. Wir sehen einen krassen Rechtsruck in so vielen Ländern in Europa. Deshalb konnten wir so viele Menschen auf die Straße bringen und würden das gerne weitertragen. Wir möchten progressive Wähler:innen für die Wahl mobilisieren und diese Themen klar mit Klimaschutz verbinden. Rechte ignorieren einfach, dass es die Klimakrise gibt.

Nächste Großdemo von Fridays For Future in München geplant: Rechtsruck im Fokus

Ist es eine bewusste Strategie, den Rechtsruck mehr in den Fokus zu rücken bei diesen Demos?
KOCH: Gerade ist es sehr akut. Wir sehen, dass Klimaschutz nur in einer Demokratie funktionieren kann. Und die Demokratie braucht Klimaschutz, weil es Gesellschaften spalten kann, wenn die Krisen schlimmer werden. Gerade ist ein guter Moment, um die Themen zu verbinden und zu zeigen, dass wir für beides kämpfen.

So wie es die Rechten eh machen?
LUC OUALI: Es ist ein essenzieller Bestandteil der Erzählungen von Rechten, gegen Klimaschützer, aber auch gegen Klimaschutz zu hetzen. Wir haben es im bayerischen Wahlkampf gemerkt, dass damit angetreten wurde, weniger Klimaschutz zu machen. Genau deshalb ist dieser rechte Diskurs so gefährlich für uns alle, weil es um unsere Lebensgrundlage geht. Deshalb müssen wir uns als Demokrat:innen ganz klar gegen diesen Rechtsruck einsetzen.

Das "Lichtermeer gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze" auf der Theresienwiese vom 11. Februar.
Das “Lichtermeer gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze” auf der Theresienwiese vom 11. Februar.
© dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Das “Lichtermeer gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze” auf der Theresienwiese vom 11. Februar.

von dpa/Karl-Josef Hildenbrand

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Die Demo gegen rechts im Januar und das Lichtermeer im Februar haben sehr viele Leute mobilisiert. Wie blicken Sie darauf zurück?
OUALI: Ich glaube, es hat uns alle überrumpelt, dass so viele kamen und dass es ein Anliegen von so vielen Menschen ist. Es ging ja wirklich ein Ruck durch die Republik. Es hat sich eine unfassbare Dynamik entwickelt. Wir konnten mit so vielen Gruppen zusammenarbeiten und haben das Thema dadurch zu einem Querschnittsthema der Gesellschaft gemacht. Da war es plötzlich egal, was man normalerweise wählt. Es ging gemeinsam gegen rechts und den Rechtsruck.

AZ-Interview mit Fridays For Future München: “Wollten keine Wohlfühlveranstaltung sein”

Auch die Kritik war sehr laut.
OUALI: Was auch sehr wichtig war. Ich glaube, dass eine Kundgebung, die nicht kontrovers diskutiert wird oder Themen setzt, auch keinen Diskurs beeinflussen kann. Wir wollten keine Wohlfühlveranstaltung sein. Wir wollten ein klares Zeichen gegen rechts setzen.

Ist in der Politik angekommen, was bei diesen Demos passiert ist?
OUALI: Nach Wochen und Monaten gehen immer noch viele Menschen auf die Straße, wir haben schon zwei Megademos organisiert, aber der Politik ist das mittlerweile egal. Sowohl in der Landes-, aber auch in der Stadtpolitik. Wir hatten zwar dieses Dialogtreffen, das der Oberbürgermeister organisiert hat. Aber wir sehen da glaube ich alle keine Zukunft – und keine Basis für neue Demos, die aus diesem Kreis organisiert werden. Ich glaube, das ist vor allem zur Profilierung unseres Oberbürgermeisters da, weil er schnell handeln wollte. Aber nicht ein Raum, um wirklich politisch etwas zu verändern und schlagkräftig zu handeln.

Die Großdemo gegen rechts vom 21. Januar, die wegen zu vieler Teilnehmer abgebrochen werden musste.
Die Großdemo gegen rechts vom 21. Januar, die wegen zu vieler Teilnehmer abgebrochen werden musste.
© imago/Sachelle Babbar
Die Großdemo gegen rechts vom 21. Januar, die wegen zu vieler Teilnehmer abgebrochen werden musste.

von imago/Sachelle Babbar

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Fridays For Future München kritisiert CSU: “Wille war doch nicht da”

Es wurden auch eigene Demos angekündigt.
KOCH: Wir haben gesehen, dass viele CSU-Politiker:innen gesagt haben, sie möchten nicht zur Demo kommen. Sondern lieber eine eigene Demo auf die Beine stellen und ein eigenes Zeichen setzen. Da hat sich aber gar nichts getan. Da sieht man, dass der Wille halt doch nicht da ist, außer wenn gerade das Momentum besteht und man sich positioniert. Das kennen wir auch aus der Klimapolitik: Auf Protesten stellt man sich gern als Vorreiter:in dar, aber beschließt dann in der Regierung die Aushöhlung des Klimaschutzgesetzes.

OUALI: Wir merken schon seit Monaten, fast schon Jahren, dass die Konservativen bis in die breite Mitte die Sprache der Rechten übernehmen. Da sehen wir, wie ein gesamter Diskurs nach rechts gerückt wird und die Rechten total normalisiert werden. Dinge, die vor ein paar Jahren noch unsagbar waren, sind jetzt ganz normaler politischer Ton.

Die Parteien blieben absichtlich außen vor. Trotzdem entscheidet die Politik. Ist das nicht ein Problem?
OUALI: Unsere Aufgabe war, der Politik zu zeigen, dass es so nicht geht. Dass diese große, schweigende Mehrheit, die die Rechte sonst immer für sich beansprucht, das nicht mehr hinnimmt. Es war darum unglaublich wichtig, dass es keinen Einfluss von Parteien gab. Es gibt sicher auch viele, die nicht teilgenommen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass es seine parteipolitische Veranstaltung oder eine Wahlkampfveranstaltung ist. Das Schöne bei unserer Demo war ja, dass die, die am meisten von einem Rechtsruck betroffen sind, sprechen durften.

“Wollen Menschen erreichen, die von der Politik frustriert sind”: Fridays For Future München im AZ-Interview

KOCH: Wir möchten ein überparteiliches Zeichen setzen und nicht einer Partei eine Plattform geben. Damit wir auch die Menschen erreichen können, die von der Politik frustriert sind.

Und das bleibt auch so?
OUALI: Ja. Der Kampf gegen rechts bedeutet nicht, dass man die Ampel geil findet. Ich finde es wichtig, dass man die Frage stellt: “Wer hat uns denn so weit gebracht?” Der Rechtsruck hängt viel mit den sozialen Krisen zusammen und damit, dass viele Menschen die einzige Alternative ganz weit rechts sehen. Weil die Demokrat:innen es gerade nicht hinbekommen, eine wirkliche Alternative zu bieten. Die Menschen wollen soziale Politik. Was sie von der Ampel bekommen, ist immer mehr unsoziale Politik. Das fängt beim 9-Euro-Ticket an, das nach nur drei Monaten abgeschafft wird und dass das 49-Euro-Ticket wackelt. Und endet da, dass Klimapolitik kaum kommuniziert wird.

Und es geht um die EU.
KOCH: Die nächsten fünf Jahre werden wieder entscheidend sein in der Klimapolitik. Wir sehen, dass einige gute Gesetze auf den Weg gekommen sind, da aber noch viel Spielraum ist. Und dass die EU international eine wichtige Rolle spielen und als Klimavorreiter gelten kann.

Klimastreik am 31. Mai: Junge Wähler könnten für Europawahl entscheidend sein

Was soll der Klimastreik am 31. Mai bewirken?
KOCH: Vor allem, dass wir junge Wähler:innen erreichen. Bei dieser Europawahl kann erstmals ab 16 gewählt werden. Das ist eine große Anzahl an Erstwähler:innen, die für die Wahl entscheidend sein können. Wir haben bei der letzten Europawahl gesehen, dass die jungen Menschen einen echten Einfluss hatten und dass wir als Fridays For Future das maßgeblich bewirkt haben.

Geht es dabei auch um die Nichtwähler?
OUALI: Wir haben bei den letzten Wahlen gemerkt, dass progressive Menschen immer mehr zu Hause bleiben und nicht wählen gehen, weil sie frustriert sind. Weil es so viele Optionen gibt, die alles schlechter machen wollen und weiter nach rechts rücken. Aber kaum welche, die Haltung bewahren und da stehen bleiben, wo sie auch vor einigen Jahren waren. Diese Menschen wollen wir erreichen. Es ist in diesen Zeiten unfassbar schwer, aber wichtig, wählen zu gehen. Jede Stimme, die wir nicht nutzen, ist eine Stimme, die potenziell an Rechte und Rechtsextreme geht.

Warum sind Sie politisch aktiv? Das ist sehr viel Arbeit, die man für kein Geld in der Freizeit macht.
KOCH: Mir gibt dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit extrem viel Hoffnung und Motivation. Man ist von so vielen Menschen umgeben, die auch für etwas kämpfen und sich einsetzen. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich einfach passiv bin und nichts bewegen kann. Gerade seit den Demos gegen rechts haben wir gesehen, dass es möglich ist, mit wenigen Menschen so viele andere Menschen zu erreichen. Das hat uns allen noch mal einen Motivationsschub gegeben. Wir müssen als Zivilgesellschaft aktiv und präsent sein, von allein tut sich ja leider nichts.

“Aktivismus wirkt”: Warum junge Menschen sich bei Fridays For Future München engagieren

Und Sie, Herr Ouali?
OUALI: Ich war schon immer politisch, das muss man als migrantisches Kind auch irgendwo sein. Dann war es für mich eine logische Konsequenz, in den Aktivismus zu gehen. Weg vom Beobachterstatus, hin zum Machen.

Warum nicht in einer Partei?
KOCH: Für mich ist es gerade der richtigere Weg, von außen Druck zu machen. Ich sehe da mehr Potenzial, weil wir merken, dass Aktivismus wirkt.

OUALI: Es braucht Leute, die vordenken und radikale Dinge fordern. Und es braucht Leute, die das dann umsetzen. Ich war bei der Grünen Jugend, da merkt man, dass im politischen Geschäft nicht alles super läuft. Ich möchte in meinem Aktivismus authentisch sein und dafür kämpfen, wofür ich stehe. Und nicht wie ein Fähnchen im Wind das tun, was irgendwelche Berater gerade für sinnvoll erachten.





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