Der FC Bayern gewinnt vor großer Kulisse beim härtesten Konkurrenten Wolfsburg mit 4:0. Kurz vor Saisonschluss scheint die Meisterinnenfrage geklärt.

Lea Schüller und Kathrin Hendrich im harten Zeikampf um den Ball an der Torauslinie

Durchsetzungsstark: Bayerin Lea Schüller lässt Kathrin Hendrich nicht an sich vorbei Foto: HMB-Media/imago

WOLFSBURG taz | Vor der Abfahrt des Mannschaftsbusses zum Flughafen schmiedete Giulia Gwinn forsche Pläne. „Im Flieger wird hoffentlich Musik zu hören sein“, sagte die Mittelfeldspielerin des FC Bayern München. Der große Sieg beim großen Rivalen war gerade geschafft. „4:0 in Wolfsburg – das hört sich in der Höhe krass an. Hier zu gewinnen, ist in jedem Fall sehr emotional“, meinte Gwinn.

Sie bekam das Grinsen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht. Der FC Bayern ist auf dem Weg zur erneuten Deutschen Meisterschaft kaum noch aufzuhalten. Dank des deutlichen Sieges beim VfL Wolfsburg ist der Vorsprung des Tabellenführers auf sieben Punkte gewachsen. Da kann es – fünf Spieltage vor dem Saisonende – im Flugzeug schon mal Partymusik und Kaltgetränke geben.

Aus Münchner Sicht handelte es sich um einen traumhaften Samstagabend. Im Kampf um seine letzte Titelchance war der VfL Wolfsburg ins große Stadion umgezogen. 24.437 Zuschauer sorgten für eine prächtige Kulisse bei einem Duell, das die These von der Verschiebung der Machtverhältnisse unterfütterte. Im vergangenen Jahrzehnt hat der VfL Wolfsburg den deutschen Frauenfußball geprägt. In der Gegenwart muss der Verein zur Kenntnis nehmen, dass sich in München etwas festigt.

„0:4 klingt extrem böse und ist enttäuschend. Sieben Punkte Rückstand brauchen wir uns nicht schönreden“, meinte Wolfsburgs Abwehrchefin Kathrin Hendrich. Die frühere Wolfsburgerin Pernille Harder, Klara Bühl, Lea Schüller und Georgia Stanway schossen im Auftrag des FC Bayern wirklich schöne Tore. Demütigung, Wachablösung, Machtdemonstration: Solche Einstufungen muss sich der VfL Wolfsburg nach fetten Jahren immer häufiger gefallen lassen.

Wegweisender Transfer

Wo die Musik künftig spielt, lässt sich nicht nur an geschossenen Toren und gewonnenen Spitzenspielen erkennen. Mit Lena Oberdorf hat vor Kurzem eine Ausnahmekönnerin angekündigt, am Saisonende von Wolfsburg nach München wechseln zu wollen. Sie vermutet dort für sich eine bessere Perspektive. Warum genau? „Ich bin raus aus den Medien“, rief Oberdorf, als sie am Samstag mit ernstem Gesichtsausdruck auf dem Weg in die Umkleidekabine war. Ausgerechnet vor einer Rekordkulisse für den Wolfsburger Frauenfußball so gedemütigt zu werden, das tat natürlich weh.

Auch Alexandra Popp, Wolfsburgs derzeit verletzte Torjägerin, sah sehr ernst aus, als sie Trost spendete. Zumindest im DFB-Pokal hat der VfL Wolfsburg in dieser Saison noch die Chance auf einen Titel. Der wahrscheinliche Gegner am Himmelfahrtstag? Richtig. Der FC Bayern München.

Der Unterschied zwischen den beiden führenden Bundesligavereinen war erst in Halbzeit 2 sichtbar geworden. Bei einem schnellen Konter und einem Eckball zeigten sich die Spielerinnen des FC Bayern gedankenschneller. Bei den Toren 3 und 4 profitierte der Gast davon, dass der VfL Wolfsburg voller Risiko um seine letzte Chance gekämpft hatte. „Wir hatten über die gesamte Strecke mehr Kontrolle und waren sicherer“, befand die eingewechselte Sydney Lohmann aus Münchner Sicht.

„Ein tolles Event“

Die Bayerinnen hatten in der Tat einen souveränen Eindruck hinterlassen. Beim VfL Wolfsburg dagegen wollte beim Verwerten guter Torchancen wenig gelingen. Die Mehrheit der Angriffe wurde so vorgetragen, als ob die kopfballstarke Popp mit von der Partie gewesen wäre. So fand sich niemand, der aus hohen Flanken etwas Zählbares hätte machen können.

Für Wolfsburg bleibt die Frage, was genau der Klub tun möchte, um wieder wie gewohnt um Titel mitspielen zu können. Cheftrainer Tommy Stroot tröstete sich nach der deftigen Niederlage damit, dass angesichts des Zuschauerzuspruchs und des hohen Spielniveaus ein großer Schritt nach vorne gelungen sei. Dabei sprach er nur bedingt von seinem Team, sondern zielte auf die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs insgesamt ab.

In der Tat war die live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragene Partie ein ansehnliches Spektakel. Das Spitzenspiel lockte vor allem Familien und Zuschauerinnen an. Der Wolfsburger Ordnungsdienst war so flexibel, angesichts der langen Schlangen vor den Toiletten den für die Männer-Klos auch für Frauen freizugeben. Auf den Werbebanden im Stadion fanden sich neben der üblichen Reklame für Autos, Reifen und Versicherungen Empfehlungen für Nagellack und weitere Kosmetikprodukte. „Es war“, sagte VfL-Trainer Stroot, „ein tolles Event mit einer freundlichen Atmosphäre.“ Ob er intern auch so gefasst reagiert hat, ist nicht bekannt.



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