Russlands Polizei kann sehr schnell sein. Schon nach wenigen Sekunden wird in Moskau jeder verhaftet, der es wagt, in der Öffentlichkeit auch nur einen DIN‑A4-Zettel mit einer Parole gegen den Krieg in der Ukraine zu entfalten.

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Beim Terrorüberfall auf Moskaus Einkaufs- und Vergnügungszentrum Crocus City dagegen war soeben ein weit weniger effizienter Polizeieinsatz zu sehen. Die Beamten brauchten eine geschlagene Stunde, um zum Tatort zu finden und sich ein Bild von der Lage zu machen. Unterdessen starben in der Konzerthalle mehr als 130 Menschen.

So ist das in Russland: Das Regime tut rund um die Uhr alles, um sich selbst und seine Macht abzusichern. Der Schutz von Bürgerinnen und Bürgern dagegen ist zweitrangig.

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Arrogant wies Putin westliche Warnungen zurück

In jedem freien Land der Erde wäre jetzt von Wladimir Putins Crocus-City-Skandal die Rede. Denn der Staatschef persönlich hat am 19. März laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass Warnungen westlicher Geheimdienste vor extremistischen Anschlägen beiseitegeschoben. Arrogant hatte Putin von „provokativen“ Hinweisen gesprochen, deren einziger Zweck es sei, „unser Land einzuschüchtern und zu destabilisieren“. Der gelernte KGB-Offizier, das wurde deutlich, will keine Nachhilfe aus dem Westen.

Dabei war die amerikanische Botschaft in Moskau ernsthaft besorgt angesichts ihr vorliegender Informationen. Sie ging damit offen und redlich um und warnte per digitalem Sicherheitshinweis bereits am 7. März auch US‑Bürger in Moskau davor, „größere Versammlungen, einschließlich Konzerte“ zu besuchen.

Ähnliche Warnungen übrigens gab Washington im zurückliegenden Winter sogar dem mit ihm verfeindeten Iran. Die USA hatten Wind bekommen von einem möglichen größeren Anschlag der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Das Regime in Teheran, misstrauisch gegenüber dem „Erzfeind“ USA, schlug die Warnungen in den Wind – und blickte am 3. Januar dieses Jahres auf mehr als 90 Todesopfer bei Explosionen in Kerman, zu denen sich der IS anschließend ebenso bekannte wie jetzt zum Anschlag in Moskau.

Kann es ein, dass die USA einem Staat trotz harter politischer Konflikte mit dessen Regierung einen auf den Schutz unschuldiger Zivilisten zielenden Tipp geben? Nach der Logik Putins ist das unmöglich. So etwas wie eine über alle politischen Streitigkeiten erhabene Menschlichkeit gibt es nicht im Denken dieses Machthabers. Da tickt Putin wie die Tschekisten, Lenins geheime Sondertruppen zur Ausschaltung Oppositioneller, die ab dem Jahr 1917 in Russland ihr Unwesen trieben. Tschekisten leugnen generell das Gute im Menschen, sie sehen allerorten nur Feinde, die man ohne Skrupel belügen, betrügen und ermorden darf.

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Wer es wirklich war, kann dem Kremlherrn egal sein

Für diese mehr als düstere Weltsicht ihres Staatschefs haben die russischen Opfer in der Crocus City Hall einen hohen Preis bezahlt. Doch damit nicht genug. Weil in Moskau nicht sein kann, was nicht sein darf, waltet das Böse weiter: Putin braucht dringend einen Sündenbock. Was liegt da näher, als auf Kiew zu verweisen? Für die Ukraine heißt das nichts Gutes. Die Menschen dort, in jüngster Zeit bereits schwer geprüft durch immer aggressiver werdende Luftangriffe, müssen sich auf neue, furchtbare Attacken einstellen, die Moskau als Vergeltungsmaßnahmen bewimpeln wird.

Wer in Wirklichkeit die Terroristen waren, kann dem Kremlherrn egal sein. In seinen Staatsmedien kann Putin alles darstellen, wie er will. Und sollte jemand auf der Straße gegen den Crocus-City-Skandal protestieren wollen, holt seine Polizei die Knüppel raus.

Mängel bei der Terrorabwehr hin oder her: Gegen unbewaffnete Dissidenten wird Putin noch immer die Oberhand behalten.



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