München/Frankfurt: Die Nachricht schlug in Deutschland am Donnerstag ein wie eine Bombe – nach über 70 gemeinsamen Jahren gehen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Ausrüster Adidas getrennte Wege. Ab dem Jahr 2027 werden die deutschen Nationalteams keine Trikots mit den berühmten drei Streifen mehr tragen, sondern mindestens sieben Jahre lang vom US-Giganten Nike ausgerüstet werden.

Laut DFB-Mitteilung hat Nike “das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben und zudem mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt, die auch ein klares Bekenntnis für die Förderung des Amateur- und Breitensports sowie die nachhaltige Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland beinhaltet”.

Neuer Ausrüster-Deal: Zahlt Nike dem DFB 100 Millionen Euro pro Jahr?

Im Gespräch sollen 100 Millionen Euro sein, die Nike jährlich an den DFB zahlen möchte, macht am Ende des Vertrages eine Summe von satten 700 Millionen Euro. Zum Vergleich: in den letzten Jahren soll Adidas 50 Millionen Euro pro Jahr überwiesen haben.

Der bisherige Ausrüster Adidas versuchte offenbar bis zum Schluss, den Ausrüsterdeal doch noch zu verlängern. Die “Bild” berichtete am Freitag, Adidas-Chef Björn Gulden sei am Mittwoch persönlich zur DFB-Zentrale nach Frankfurt/Main gereist. Dort sei ein letztes Angebot vorgelegt und über eine mögliche Verlängerung gesprochen worden. Das Angebot wurde allerdings abgelehnt.

Medienberichten zufolge wollte der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach künftig sein finanzielles Engagement beim DFB reduzieren. Laut Philipp Köster, Chefredakteur beim Fußball-Magazin “11 Freunde”, soll das letzte Angebot von Adidas im zweistelligen Prozentbereich unter der bisher gezahlten Summe gelegen haben.  Sollte dies der Wahrheit entsprechen, dann hätte das Adidas-Angebot nicht einmal die Hälfte der kolportierten Nike-Offerte betragen.

“Ich möchte den Verband sehen, der solch eine Angebot  aus alter Verbundenheit nicht annimmt und dann gegenüber seinen Landesverbänden die nächste Sparrunde einläutet”, so Köster auf der Plattform X (vormals Twitter).

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“Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Nike und über das in uns gesetzte Vertrauen. Die künftige Partnerschaft ermöglicht es dem DFB, auch in der kommenden Dekade zentrale Aufgaben mit Blick auf eine umfassende Entwicklung des Fußballs in Deutschland wahrzunehmen”, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach Bekanntgabe des neuen Ausrüster-Deals.

Ende einer jahrzehntelangen Tradition: Fans und Politiker kritisieren DFB nach Adidas-Aus  

Während man sich in der DFB-Zentrale, angesichts klammer Kassen, über den künftigen Geldregen ziemlich freuen dürfte, kam der Ausrüsterwechsel bei vielen Fans und Politikern in Deutschland einem Tabubruch und dem Ende einer Tradition gleich. 

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So ging Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit dem DFB sehr hart ins Gericht. “Die Erfolgsgeschichte begann 1954 mit dem unvergessenen WM-Sieg, der unserem Land wieder Selbstbewusstsein gegeben hat. Deshalb ist es falsch, schade und auch unverständlich, dass diese Geschichte jetzt enden soll”, schrieb der CSU-Politiker am Freitag auf X. Die Nationalelf “spielt in drei Streifen – das war so klar, wie dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert.”

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Das Adidas nicht mit dem Angebot von Nike gleichziehen wollte, ist für Jan König, Markenexperte und Co-Founder der Kreativagentur Odaline, nachvollziehbar. “Die deutsche Nationalmannschaft stand in den letzten Jahren nicht mehr für großen Spaß, Erfolg und Einheit. Daher wird Adidas finanziell nicht mit Nike mitgezogen sein. Auch die Ergebnisse vor dieser EM waren nicht berauschend. Adidas trifft eine nachvollziehbare Entscheidung”, so König zur AZ.

Markenexperte Jan König zu neuem Ausrüster-Deal: “Nike hat den DFB unter Druck gesetzt”

Das DFB und Adidas nach so einer langen Zeit ab 2027 getrennte Wege gehen werden, ist für König nicht unbedingt verwunderlich, vielmehr sieht der Markenexperte den Zeitpunkt der Bekanntgabe für schwierig: “Kurz vor der Heim-EM gibt es schönere Dinge, um Euphorie auszulösen. Der Deal wird nicht erst seit gestern gesigned sein. Nike hat gemerkt, dass Adidas mit seinem Trikot Reveal sehr viel richtig gemacht hat. Adidas war nicht bekannt für große Kommunikation. Nike wird das nicht gefallen haben und mit Nachdruck die Bekanntgabe gefordert haben. Warum sonst sollte man einen Deal der ab 2027 jetzt kommunizieren? Nike hat den DFB unter Druck gesetzt.”

Jan König, Markenexperte und Co-Founder der Kreativagentur Odaline.
Jan König, Markenexperte und Co-Founder der Kreativagentur Odaline.
© Privat
Jan König, Markenexperte und Co-Founder der Kreativagentur Odaline.

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Zwar dürfte der Nike-Deal für den DFB, rein finanziell gesehen, ein Gewinn sein, für Jan König verliert der DFB mit dem Ende von Adidas als jahrzehntelanger Ausrüster allerdings einen Teil seiner eigenen Marke. “Adi Dassler und die Fußball-Nationalmannschaft, das gehört zusammen und hat auch die Menschen in Deutschland zusammengehalten”, so der Markenexperte.

Für viele Außenstehende endet mit dem neuen Nike-Deal eine jahrzehntelange Tradition, doch gilt Tradition, die bekanntlich keine Rechnungen bezahlt, im heutigen Spitzensport noch etwas? “Was heißt Tradition? Ist das Trikot oder das Logo Tradition? Der DFB trifft diese Entscheidung aus maximal finanziellen Gründen und das ist sein gutes Recht. Adidas ist sicherlich auch durch die vergangenen Jahre kein besonders spendabler Verhandlungspartner gewesen”, so König.

Markenexperte zum DFB-Nike-Deal: “Das ist der gleiche Fehler, den Marken oft machen”

Der DFB wird durch Nike ab 2027 deutlich mehr Geld auf dem Konto haben, doch König sieht den finanziellen Aspekt zu kurzfristig gedacht: “Das ist der gleiche Fehler, den Marken oft machen, wenn sie zu viel auf Performance Marketing statt Marke setzen: Sie sehen nur Jetzt. Und jetzt heißt Nike mehr Geld. Langfristig entfernt sich aber die Zielgruppe durch diesen Move von “der Mannschaft”. Also ist davon auszugehen, dass in einem Jahrzehnt dieser Ausrüsterwechsel beim nächsten DFB Executive natürlich als Fehler eingestanden wird.” “Für mich kann Tradition im Sport vor allem eines: Markenkern stärken und Fans emotional binden. Und das bedenkt beim DFB heute leider niemand”, so der Markenexperte kritisch in Richtung Frankfurt.

Über 70 Jahre lang waren DFB und Adidas eine Einheit, dass der US-Gigant eine ähnliche lange und intensive Ära prägen kann, davon geht Jan König nicht aus: “Nike bekommt viel Aufmerksamkeit und versucht sich die Liebe von Deutschland zu erkaufen. Ja, es werden auch Deutschland-Trikots von Nike getragen (insbesondere bei erfolgreichen Turnieren), aber nie wird das Trikot eine so emotionale Bindung aufbauen können wie das von Adidas.”

Ende der Saison 2023/24 steigt Adidas auch als ligaweiter Ausrüster der US-amerikanischen National Hockey League (NHL) aus, in drei Jahren dann das Ende der Zusammenarbeit mit dem DFB. Die Gefahr, dass Adidas künftig immer mehr zu einer weniger bedeutenden Marke werden könnte, sieht König allerdings nicht. “Adidas fokussiert sich auf AthletInnen und Culture und investiert das freiwerdende Geld in strategisch wichtige Pfeiler für die Zukunft. Wir müssen uns keine großen Sorgen um Adidas machen, nur weil sie nicht mehr Deutschland ausrüsten. Die Probleme im Konzern sind woanders, aber ich glaube an die Stärke der Marke”, so der Markenexperte.

TikTok wird offizieller Entertainment-Partner der deutschen Nationalmannschaft

Am Donnerstag hat der DFB nicht nur den Ausrüster-Deal mit Nike bekanntgegeben, unter der Wucht dieser Meldung ging etwas unter, dass man künftig auch mit TikTok zusammenarbeiten werde. Künftig wird die chinesische Videoplattform als offizieller Entertainment-Partner fungieren und auch auf Werbebanden Präsenz zeigen. Die Kooperation wird bereits mit den anstehenden Test-Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande beginnen. Bei Tiktok sind “exklusive Behind-the-Scenes-Inhalte und Creator-Kooperationen im digitalen Raum” geplant.

“Wir freuen uns sehr, dass wir mit TikTok eine dynamische und weltweit wachsende Entertainment-Plattform als Partner der Männer-Nationalmannschaft für uns gewinnen konnten”, wird Dr. Holger Blask, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH & Co.KG, in einer DFB-Mitteilung zitiert.

Zwar macht der DFB bei der Bekanntgabe des Tiktok-Deals keine Angaben zu den finanziellen Rahmenbedingungen, für Jan König liegt das Ziel des DFB aber klar auf der Hand: “Der DFB will das Maximale rausholen. Kündigt an einem Tag Nike und Tiktok an. Die maximale Kommerzialisierung erreicht auch unsere Nationalmannschaft. Nicht nur die DFL.”

Wird es Fan-Proteste gegen den Nike-Deal geben?

Das zu viel Kommerz im Fußball bei den Fans nicht unbedingt gut ankommt, durfte die DFL am eigenen Leib spüren, als es bundesweit zu Protesten gegen den geplanten DFL-Einstieg eines Investors ging. Hunderte von Tennisbällen und Schokogoldmünzen wurden während der Spiele in der Bundesliga aufs Spielfeld geworfen und führten immer wieder zu minutenlangen Spielunterbrechungen. Am Ende rückte die DFL von ihren Investorenpläne vorerst wieder ab. Werden die Fans der deutschen Nationalmannschaft nun auch gegen den Nike-Deal protestieren? Spätestens am Samstagabend werden wir es wissen.





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