Die Hintergründe des Angriffs auf eine Konzerthalle bleiben weiter unklar, auch wenn der Islamistische Staat sich inzwischen zu der Tat bekannt hat.

Ein vermummter und bewaffneter Soldat steht vor der brennenden Konzerthalle in der Nacht

Ein russischer Nationalgardist am Freitagabend vor der brennenden Crocus Hall im Moskauer Gebiet Foto: Dmitry Serebryakov/ap

MOSKAU7KRANOGORSK dpa |/afp Bei dem Anschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall nahe Moskau ist die Zahl der Toten auf 93 gestiegen. Dies teilte das Ermittlungskomitee der russischen staatlichen Agentur Tass zufolge am Samstag in Moskau mit. Unter den Toten sollen sich laut dem Gesundheitsministerium auch drei Kinder befinden, es sollen 115 Verletzte in Krankenhäuser eingeliefert worden sein. Die Behörde rief die Menschen auf, Blut für die Verletzten zu spenden. Es wurden mehrere Stellen dafür eingerichtet.

In dem großen Konzertsaal mit Tausenden Plätzen hatten am Freitag Täter wahllos auf Besucher geschossen. Zudem Zeitpunkt des Anschlags spielte dort die russische Rockgruppe Piknik ein Konzert spielte. Menschen, die um ihr Leben rannten, und Verletzte berichteten in sozialen Netzwerken von vielen Opfern. Zudem gab es Explosionen in dem Gebäude und einen Großbrand.

Die den russischen Sicherheitsbehörden nahestehenden Telegram-Kanäle Basa und Masch veröffentlichten Videos, auf denen mindestens zwei bewaffnete Männer zu sehen sind, die in die Halle vorrücken, sowie weitere, auf denen Leichen und zum Ausgang eilende Gruppen von Menschen zu sehen sind. Weitere Aufnahmen zeigen Konzertbesucher, die sich hinter Sitzen verstecken. Dem russischen Katastrophenschutzministerium zufolge konnte die Feuerwehr rund 100 Menschen evakuieren, die sich im Keller befanden.

Den russischen Behörden zufolge wurde eine Untersuchung wegen eines „terroristischen Akts“ eingeleitet. Präsident Wladimir Putin wünschte den Opfern über die stellvertretende Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa eine schnelle Genesung und dankte den Ärzten. Öffentlich äußerte er sich zu dem Angriff auf den Konzertsaal zunächst jedoch nicht.

Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin sagte alle öffentlichen Veranstaltungen für das Wochenende ab. Museen und Theater kündigten Schließungen an.

Dem russischen Fernsehen zufolge wurden erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen, etwa an den Moskauer Flughäfen und anderen Großstädten des Landes. Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete, der Rote Platz in Moskau sei von Sicherheitskräften abgeriegelt worden.

Verfolgungsjagd bis ins Gebiet Briansk

Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB seien im Zusammenhang mit dem Angriff inzwischen elf Personen festgenommen worden. Das sagte FSB-Chef Alexander Bortnikow nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass am Samstag.

Der Parlamentsabgeordnete Alexander Chinstein der Kremlpartei Geeintes Russland hatte zuvor auf seinem Telegram-Kanal behauptet, das mutmaßliche Fluchtfahrzeug der Täter sei mit Waffen im Inneren im Gebiet Brjansk gestoppt worden.

Das Auto habe am Freitagabend bei einer Verfolgungsjagd der Polizei nicht angehalten, sei beschossen worden und habe sich dann überschlagen. „Ein Terrorist wurde auf der Stelle festgenommen, die anderen haben sich im Wald versteckt“, sagte Chinstein. Am frühen Morgen sei ein zweiter Verdächtiger festgenommen worden.

Die Suche nach den anderen mutmaßlichen Tätern sei fortgesetzt worden. Im Inneren des Fahrzeugs seien eine Pistole, ein Patronenmagazin und eine Kalaschnikow sowie Pässe von Bürger des zentralasiatischen Republik Tadschikistan gefunden worden.

Die russischen Behörden machten auch am Morgen zunächst weiter keine Angaben zu den Hintergründen der Tat. Auch zu einem Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat gab es keine Bewertung von offizieller russischer Seite. Die Terrorermittlungen dauerten an, hieß es.

Der IS, der Russland in der Vergangenheit mehrfach ins Visier genommen hatte, schrieb im Onlinedienst Telegram, Kämpfer hätten „eine große Zusammenkunft (…) am Rande der russischen Hauptstadt Moskau“ angegriffen. Die Angreifer hätten sich „sicher in ihre Stützpunkte zurückgezogen“.

Das russische Außenministerium verurteilte den Angriff bei Moskau als ein „verabscheuungswürdiges Verbrechen“, das die „gesamte Weltgemeinschaft“ verurteilen müsse. Die Ukraine stritt jegliche Verantwortung für den Angriff ab. Der ukrainische Militärgeheimdienst beschuldigte „die russischen Spezialdienste“, hinter dem Angriff zu stecken, um die Ukraine beschuldigen zu können. Das Weiße Haus in Washington erklärte die Anteilnahme der USA für die Opfer des „schrecklichen Angriffs“. Die US-Botschaft in Russland hatte ihre Bürger vor zwei Wochen davor gewarnt, dass „Extremisten unmittelbar bevorstehende Pläne haben, große Versammlungen in Moskau, einschließlich Konzerte, ins Visier zu nehmen“. Das Weiße Haus erklärte, die USA hätten diese Informationen mit den russischen Behörden geteilt.

Die Lage an der Crocus City Hall war am Morgen ruhig. Einsatzkräfte löschten Glutnester nach dem Großbrand, wie die Feuerwehr mitteilte. Nach dem kompletten Löschen sollten die Trümmer des eingestürzten Daches der Konzerthalle beseitigt werden. Polizei, Nationalgarde und Ermittlungskomitee nahmen die Schäden auf und sicherten Spuren.

Die Crocus City Hall im Nordwesten der russischen Hauptstadt gehört zu den beliebtesten Veranstaltungszentren der Millionenmetropole. Dort werden immer wieder auch Messen und Ausstellungen organisiert.



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