Paris. Zu den offenen Geheimnissen, die sich um Emmanuel Macron ranken, gehört nicht nur, dass er gerne Schriftsteller geworden wäre, auch wenn er keinen seiner Romane, die er ab dem Teenager-Alter schrieb oder anfing, je veröffentlicht hat. Sondern auch, dass er durch sein Handeln als französischer Staatschef in die Geschichtsbücher eingehen will, ist eine Gewissheit in Paris. Dazu passt nicht nur die jüngste Veröffentlichung des Präsidenten in Boxhandschuhen und mit verzerrtem Gesicht als visuelle Darstellung seines Wagemuts. Sondern auch der oft geäußerte Anspruch, eine europäische Führungsfigur zu sein. Seine Grundsatzrede zu Europa, die er wenige Monate nach seiner Wahl 2017 in der berühmten Pariser Universität hielt, entpuppte sich als ein Feuerwerk der Ideen.

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Eine davon war das Konzept der „strategischen Autonomie“, das Macron auch während der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 verteidigte. Seit der russischen Invasion in der Ukraine zur gleichen Zeit, die Europa zwang, sich energie-, sicherheits- und verteidigungspolitisch neu aufzustellen, erhielt es neue Brisanz. Macron hält sich zugute, früh gefordert zu haben, dass sich die EU von den USA emanzipieren solle.

Hinsichtlich der Haltung zu China nahm er in auffälliger Einigkeit mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Abstand vom Ansatz des „Decouplings“ und sprach wie sie lieber von „Derisking“: In der angespannten geopolitischen Debatte war dies ein Signal der Entspannung, ohne den Druck auf das Land zu mindern, sich an geltende Regeln der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu halten.

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Wiederholt Macron seine Geste an Deutschland und die EU?

Anfang Mai steht Medienberichten zufolge ein Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Paris an, kurz nach einer Visite des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Peking im April. Es handelt sich um Xis erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie. Anlass ist der 60. Jahrestag der Wiederaufnahme chinesisch-französischer Beziehungen. Doch es dürfte auch um die guten Verbindungen zu Russland gehen, die China zum Missfallen der Europäer aufrechterhält.

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Bei Xis letztem Besuch in Paris 2019 bat Macron die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und den damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker dazu. Ob er die Geste nun mit einer Einladung an Scholz und von der Leyen wiederholt, ist noch nicht bekannt. Beim Rückflug von einem Staatsbesuch in China vor einem Jahr irritierte Macron viele Partner mit der Warnung, Europa dürfe sich nicht in den Konflikt zwischen China und den USA um Taiwan hineinziehen lassen, um nicht zum „Vasall“ der Amerikaner zu werden.

Gezielte Tabubrüche

Ähnlich provozierende Worte hatte Macron auch schon bei anderen Anlässen gewählt, etwa 2019 mit seiner Kritik, die Nato sei „hirntot“. Der gezielte Tabubruch ist ein Markenzeichen des 46-Jährigen, innen- wie außenpolitisch. Letztes Beispiel war seine Aussage, er schließe die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht aus, die er mehrmals bekräftigte. Gegenüber einem russischen Gegner, der alle Grenzen überschreite, dürfe man sich selbst keine setzen – und es gelte, Moskau über die eigenen Vorhaben im Unklaren zu lassen.

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19.01.2024, Frankreich, Cherbourg: Emmanuel Macr, Präsident von Frankreich, verlässt nach seiner Neujahrsansprache an die Armee den Marinestützpunkt Cherbourg. Foto: Christophe Petit-Tesson/EPA POOL/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Macron gibt sich betont stark – aber ist Frankreich überhaupt kriegstüchtig?

Experten zufolge hat das Land viel an seiner Verteidigungskraft eingebüßt, doch Präsident Emmanuel Macron spart nicht mit Warnungen, seine Armee im Zweifelsfall einzusetzen. Er präsentiert sich in sozialen Medien wehrhaft mit Boxhandschuhen. Experten bezweifeln jedoch, ob der Präsident seine Versprechen auch einhalten könnte.

Einmal mehr zeigte sich hier ein Graben zwischen Macron und Scholz, der heftig widersprach. Demgegenüber versicherte der französische Präsident vor einer Woche nach einem Besuch in Berlin, dass der Kanzler und er „eine große gemeinsame Sicht“ auf die Lage in der Ukraine hätten. „Nur die Art, wie wir diese ausdrücken, ist unterschiedlich.“ Ebenso wie die Strategiekulturen beider Länder: Deutschland halte sich fern vom Nuklearen und neige in militärischer Hinsicht zu großer Vorsicht, Frankreich besitze Atomwaffen und eine umfassende Berufsarmee. Berlin habe mehr Haushaltsspielraum, aber Frankreich „kann Dinge tun, die Deutschland nicht tun kann“. So ließ Macron eine mögliche Aufgabenteilung zweier Partner auf Augenhöhe aufscheinen. Denn darauf legt er, der sich als europäischer Antreiber par excellence versteht, Wert.



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