Rügen. Es könnte das Ende von Holzeinschlägen in dem Rügener Waldgebiet sein: das Kernprojekt „Granitz – frei von forstwirtschaftlicher Nutzung“. Soll heißen: Die Granitz wird in ein Wildnisgebiet umgewandelt. Hintergrund ist das Förderprogramm „Wildnisfonds“.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Es ist Teil der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) und hat das Ziel, mindestens zwei Prozent der Landesflächen wieder natürlichen Prozessen zu überlassen. Der Wildnisfonds unterstützt dieses Ziel und fördert bundesweit die Sicherung von Wildnisflächen. Im Gegenzug gegen die unbefristete Übertragung der Nutzungsrechte erhält der Eigentümer eine Nutzungsentschädigung. Im Falle der Granitz wären das 6,1 Millionen Euro für den Landschaftspflegeverband Rügen (LPV) als Eigentümer.

650 Hektar Wald dauerhaft aus der Nutzung nehmen

Damit sei man nicht mehr gezwungen, Erträge aus dem Holzeinschlag zu erzielen. „Eine große Chance“, sagt Cathrin Münster, Leiterin des Biosphärenreservates Südost Rügen, das das Projekt angeschoben hat. Das Amt verwaltet als Naturschutzbehörde das 1000 Hektar große Naturschutzgebiet Granitz zwischen Binz und Sellin. Der LPV hatte die Granitz im Jahr 2000 im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes „Ostrügensche Boddenlandschaft“ erworben – mit konkreten Naturschutzzielen. Weitere Teilflächen sind in Privatbesitz und gehören dem Land.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„Ein Teil der Granitz ist jetzt schon frei von forstwirtschaftlicher Nutzung, da fällt seit Jahren kein Baum mehr. Kleine versprenkelte Flächen sind die sogenannten Naturwaldinseln, dort findet auch schon keine Forstwirtschaft mehr statt. Und in einem anderen Teil findet Forstwirtschaft statt“, so Cathrin Münster. Jetzt gehe es um 650 Hektar, die dauerhaft aus der Nutzung genommen werden sollen.

Waldumbau in der Granitz

Die im aktuellen Pflege- und Entwicklungsplan für die Granitz vorgegebenen Zielstellungen sind eine naturnahe Waldentwicklung der Buchen- und Traubeneichenbestände und ein Umbau der noch vorhandenen Nadelholzbestände. Dabei werden laut Landschaftspflegeverband nur so viele Nadelbäume entnommen, dass keine Gefahr von Windbruch entsteht.

Auch in Altbuchenbeständen müsse durch selektive Einzelstammentnahme die Naturverjüngung gefördert werden. Das bedeute, zur Entwicklung eines Buchenwaldes mit normaler Altersstruktur im Einzelfall auch großkronige Altbäume zu entnehmen.

Entscheidung dafür oder dagegen fällt am 4. April

Die Entscheidung dafür oder dagegen fällt die Verbandsversammlung des LVP am 4. April, so Münster. Mitglied im LPV sind 36 Städte und Gemeinden der Insel, der Landkreis Vorpommern-Rügen sowie der Insula Rugi e.V. als förderndes Mitglied. Im Zuge des Granitz-Projektes habe der LPV angeregt, dass sich die Gemeindevertretungen der beiden unmittelbaren Anliegerkommunen Sellin und Binz dazu positionieren.

„Ich habe immer betont, dass sich erst die Granitz-Kommunen inklusive Beschlüssen damit befassen sollen und dann wir in der Verbandsversammlung des LPV. Im Vorstand haben wir natürlich darüber gesprochen“, so Vorstandsvorsitzender Sebastian Koesling. Der Selliner Gemeinderat hat auf seiner Sitzung am Dienstag dazu einstimmig seinen Willen bekundet. In Binz steht das Thema am Donnerstag auf der Tagesordnung. Dort mit dem Zusatz: Vorbereitung eines „Letter of Intent“ zur Sicherung der gemeindlichen Bedarfe.

Wege in Sellin sehr gut ausgestattet bis zur Kreuzeiche

Teilweise massive Holzeinschläge und durch Maschinentechnik beschädigte Wege hätten bei Insulanern und Gästen immer wieder zu großem Unverständnis und vielen Anrufen bei der Biosphäre und der Selliner Kurverwaltung geführt. „Aktuell kommen vermehrt Beschwerden, dass der Wald so verwüstet wurde durch Fällaktionen. Auch hatte die Kurverwaltung im Winter Probleme, unsere Loipen zu ziehen, weil die Wege einfach nicht instand waren“, erklärte Nico Offermann, Vorsitzender des Selliner Tourismus- und Verkehrsausschusses. Das Gremium hatte zuvor einhellig seine Empfehlung für das Projekt in die Gemeindevertretung gegeben.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„Wenn das Geld da ist, sind die Bürgermeister gefragt, sich stark zu machen, dass es zum Teil auch für die Granitz ausgegeben wird.“ Die Wege in Sellin seien bis zur Kreuzeiche sehr gut ausgestattet. „Bis dahin sind die Radwege toll, dann wird es aber kritisch.“ Soll heißen: auf Binzer Seite. Auch der Bau-, Umwelt- und Naturschutzausschuss sehe das Vorhaben grundsätzlich positiv, so Vorsitzender Matthias Scheibe. Für Gesprächsbedarf habe aber der Begriff Wildnis gesorgt. „Ob wir dann einen unsortierten und nicht gut aussehenden Wald haben?“, fragt sich Scheibe.

An der touristischen Infrastruktur wird sich nichts ändern

Die wichtigste Frage zudem: Kann die Granitz weiterhin touristisch genutzt werden? „Ja, es wird sich an der touristischen Infrastruktur nichts ändern“, sagt Cathrin Münster. „Das war das Erste, was wir geprüft haben.“ Die Granitz sei touristisch sehr stark nachgefragt und ein Hotspot der Erholung. Der Status quo mit den Wander- und Radwegen, dem Shuttleverkehr zum Jagdschloss und dem „Rasenden Roland“ bleibe bestehen.

Lesen Sie auch

Noch Anpassungsmaßnahmen im Sinne der Waldentwicklung möglich

Und wenn nun forstwirtschaftliche Nutzung eingestellt wird, was passiert dann mit dem Wald? Antwort auf diese Frage gab Biologe Stefan Woidig von der Biosphärenreservatsverwaltung: „Die Granitz dominiert in weiten Flächen die Rotbuche. Es gibt stabile Bestände, die nicht gefährdet sind.“ Es gebe auch Teilbereiche ohne Buchen, in denen Lärchen, Douglasien und Fichten stehen. „Wenn dort forstliche Nutzung eingestellt wird, dann muss man diese Bestände im Auge behalten, weil sie sich entwickeln. Wir haben aber zehn bis 30 Jahre Zeit, dort noch Anpassungsmaßnahmen im Sinne der Waldentwicklung durchzuführen. Das heißt also nicht, dass dort gar nichts mehr passieren würde“, so Woidig. „Buchen haben den Vorteil, dass die nicht ewig liegenbleiben, wenn sie Bodenkontakt haben, sie werden in kürzester Zeit durch die Mikroorganismen aufgearbeitet und zu Humus.“

OZ



Source link www.ostsee-zeitung.de