Im Streit der Parteien und der Regierungen von Bund und Ländern um die Cannabis-Legalisierung hat die SPD der Union schlechten Stil und undemokratisches Verhalten vorgeworfen. Hinsichtlich der von den Unions-Regierungschefs und -ministern geäußerten Absicht, das Gesetz im Bundesrat aufzuhalten oder gar vollends zu stoppen, sagte die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge: “Ich finde das, um ehrlich zu sein, ziemlich erschreckend – so verhalten sich keine Demokraten”. Sie warf der Union in der Augsburger Allgemeinen vor, den Vermittlungsausschuss rein taktisch anzurufen, und die Legalisierung durch Verfahrenstricks aufhalten zu wollen. “Das wäre ein einmaliger Vorgang.”

Der Bundestag hatte kürzlich mit Mehrheit der Ampelkoalition das Gesetz
über die teilweise Legalisierung von Cannabis für den Eigenverbrauch
verabschiedet. Am Freitag soll die Länderkammer des Parlamentes darüber abstimmen. Es liegen dort jedoch mehrere Anträge vor, das Gesetz nicht zu billigen, sondern in den sogenannten Vermittlungsausschuss zu verweisen. Vor allem der Antrag, das Inkrafttreten des Gesetzes oder auch nur der in dessen Rahmen vorgesehenen Teilamnestie für Cannabis-Straftäter statt zum April erst im Oktober in Kraft treten zu lassen, hat dort eine Chance auf eine Mehrheit. Andere Anträge sehen vor, das Gesetz im Vermittlungsausschuss auch inhaltlich zu verändern und damit die Legalisierung zu erschweren oder aufzuweichen.

Wegge sagte, die Legalisierung liege in der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Eine zwingende Zustimmung der Länderkammer ist dazu gar nicht erforderlich. Jedoch kann sich das Gesetz im Ausschuss zumindest erheblich verzögern. An Verbesserungen sei die Union nicht interessiert, “weil sie es gänzlich aufhalten will”, sagte Wegge weiter.

CDU will Gesetz blockieren

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), einer der entschlossensten Legalisierungsgegner, hatte am Wochenende auf X geschrieben, sein Bundesland werde im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen. Sein Ziel sei es, dass das Gesetz “niemals wieder” aus dem Vermittlungsausschuss herauskomme. Die CSU prüft sogar rechtliche Schritte gegen die Legalisierung. Widerstand hatten auch das von Grünen und CDU regierte Baden-Württemberg angekündigt, auch das SPD-regierte Niedersachsen, sogar einige SPD-Politiker im Bundestag sind dagegen. 

Ob der Vermittlungsausschuss tatsächliche eingeschaltet wird, ist aber offen: Denn es gibt in der Länderkammer eine Besonderheit: Sind aus mehreren Parteien zusammengesetzte Landesregierungen sich nicht vollends einig, vereinbaren sie im Bundesrat meistens Stimmenthaltung. Deshalb könnten die notwendigen Stimmen am Ende doch nicht zustande kommen. Derzeit tagen die Landeskabinette und besprechen ihr Abstimmungsverhalten.

Kritik an Umsetzung der Legalisierung

In den vergangenen Monaten hatte es intensive Kritik an der Legalisierung und den Regelungsdetails gegeben: Der Richterbund, die Landesinnenminister, Ärzteverbände warnten vor negativen Folgen. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte forderte, das Cannabis-Gesetz zu stoppen. “Die Ampel-Koalition will mit dem Kopf durch die Wand. Sie sieht die berechtigten Einwände von Ärzten und Juristen nicht”, sagte Verbandspräsident Michael Hubmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. “Die Bundesregierung sollte das Gesetz zurückziehen.”

Er bekräftigte Warnungen vor den negativen Folgen der Legalisierung für den Jugendschutz. “Wir sehen schon bei Alkohol und Nikotin, dass das in der Lebensrealität nicht gelingt”, sagte Hubmann. Der Konsum sei problemlos an den gesetzlichen Regeln vorbei möglich. “Schutz und Kontrolle werden nicht leichter, wenn mit der Cannabis-Legalisierung jetzt eine dritte Substanz dazu kommt.”



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