Trans sein hat viele Gesichter. Es gibt Transmenschen, die wollen ihr Transsein offen ausleben und thematisieren, es gibt solche, die wollen einfach nur als Frau oder Mann gesehen werden, und es gibt noch ganz viele verschiedene Ansichten dazu. Denn jeder Transmensch ist individuell ‒ das zeigt jetzt auch die ZDF-Doku „37 Grad: Trans ‒ Drei Generationen, eine Reise“, die drei Transmenschen verschiedenen Alters begleitet.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Da ist Sophie, 32 Jahre alt, die sich für eine medizinische Geschlechtsangleichung entschieden hat und seither nur noch als Frau wahrgenommen werden will. Da ist der 16-jährige Luca, der schon als Kind wusste, dass er ein Junge ist, geboren im Körper eines Mädchens. Er nimmt schon seit der Zeit vor der Pubertät Hormone. Und da ist die 69-jährige Nora Eckert, die in den 70er-Jahren ihre Transidentität entdeckte und sich seit einigen Jahren auch aktiv für die Rechte von Transmenschen engagiert. Drei Menschen, drei Geschichten.

„Geboren im falschen Körper“ ‒ davon hält Nora Eckert nichts

„Geboren im falschen Körper“, heißt es oft über Transmenschen, und manche sagen das auch über sich selbst. Eckert, kurze weiße Haare, mitreißendes Lächeln und ruhige Stimme, kann damit hingegen wenig anfangen. „Ich glaube nicht, dass Menschen im falschen Körper geboren werden. Wir haben die, die wir haben und können sie auch nicht verlassen“, sagt sie im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Aber wir können sie verändern, passend zu unserer geschlechtlichen Identität. Durch Hormone und chirurgische Eingriffe können wir sie an ‚Normkörper‘ angleichen. Aber der Körper bleibt und mit ihm das Wissen und das Bewusstsein“, meint sie.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Ich werde dadurch nicht mehr Frau, als ich es jetzt schon bin.

Nora Eckert über Geschlechtsangleichung

Deswegen hat sie sich gegen eine geschlechtsangleichende OP entschieden, auch Hormone nimmt sie eigenen Angaben seit vielen Jahren nicht mehr, habe sie aber mehrere Jahre intensiv genommen. „Ich werde dadurch nicht mehr Frau, als ich es jetzt schon bin“, sagt sie selbstbewusst, beruft sich dabei aber darauf, dass jede und jeder das anders empfinde.

Janka Kluge und Eli Kappo

„Ich wünsche meinem schlimmsten Feind nicht, trans zu sein“

Nach mehr als 40 Jahren soll das Transsexuellengesetz in diesem Jahr abgeschafft werden. Wie schwer war es in den 1980er-Jahren, trans zu sein? Ist es heute leichter? Janka Kluge und Eli Kappo über den Kampf um Selbstbestimmung. Ein Blick aus zwei Generationen.

Nach der OP: Sophie verheimlicht Freund Transidentität

Offensichtlich. Denn Protagonistin Sophie entscheidet sich für eine entsprechende OP. Sie ist damit nicht die einzige: Geschlechtsangleichende Operationen nehmen seit Jahren kontinuierlich zu. 2021 unterzogen sich 2598 Menschen in Deutschland einem solchen Eingriff. Sophie verschweigt ihrem neuen Freund nach der Operation sogar ihre Transidentität, sieht sich selbst nur noch als Frau, nicht als trans Frau. „Für mich gibt es dann das Wort ‚Transgender‘ oder ‚Transe‘ nicht mehr“, sagt sie in der ZDF-Doku.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Sophie hat sich im Alter von 30 Jahren für eine geschlechtsangleichende OP im Universitätsklinikum in Essen entschieden.

Sophie hat sich im Alter von 30 Jahren für eine geschlechtsangleichende OP im Universitätsklinikum in Essen entschieden.

Für Eckert ist das schwer zu verstehen, aber Menschen sind eben unterschiedlich. „Dass man aufhört, mit der OP trans zu sein, mag ich nicht ganz nachvollziehen“, sagt sie dem RND. „Das Wissen und das Bewusstsein, dass man mal in einer anderen Rolle aufgewachsen ist und sozialisiert wurde, verschwindet ja nicht.“ Sie kenne auch Transmenschen, die in so einer Anonymität ‒ wie sie es nennt ‒ lebten. „Man muss dann sozusagen seine Biografie umschreiben und lebt immer in dieser Anonymität und wohl auch in der Angst, entdeckt zu werden“, so ihr Fazit.

Weil sie trans ist, darf sie im Buchladen nicht mehr arbeiten

Eckert muss es wissen, denn sie lebte selbst lange Zeit ihres Lebens in Anonymität. Als sie Anfang der Siebzigerjahre in Westberlin ihre Transidentität entdeckt und offen leben will, wird sie diskriminiert: Sie darf ihrem Job in einem Buchladen nicht weiter nachgehen. Zu dem Zeitpunkt gibt es für Transmenschen weder die Möglichkeit, den Namen zu ändern noch das Geschlecht. Nora Eckert arbeitet daraufhin sechs Jahre lang nachts als Garderobiere im legendären Travestiecabaret „Chez Romy Haag“, wo sie sein kann, wer sie ist.

„Als dann 1981 das Transsexuellengesetz in Kraft trat, waren Namensänderungen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Änderungen des Geschlechtseintrags möglich“, erzählt Eckert. Das habe die Situation für sie verändert und den Wunsch in ihr ausgelöst nach „einem Tagleben, einem stinknormalen Job und Abgesichertsein“. Sie ändert ihren Namen, macht eine Umschulung, nimmt einen Bürojob an. „Ich bin in dieser Firma eingestiegen als Frau Eckert und habe dort 36 Jahre lang gearbeitet. Ich wollte auch nichts anderes sein als Frau Eckert. Ich habe mich dort nicht geoutet. Das Transsein war kein Thema.“ Zumindest nicht für ihre Kolleginnen und Kollegen.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Das Transsexuellengesetz

Bei seiner Einführung 1981 galt das Transsexuellengesetz (TSG) als fortschrittlich. Erstmals konnten trans Personen ihren Geschlechtseintrag offiziell ändern. Die meisten der Bedingungen, die das TSG an trans Personen stellte, wurden jedoch im Laufe der Jahre für verfassungswidrig erklärt. Der Grund: Sie verstoßen massiv gegen die Grundrechte von trans Personen. Unter anderem schrieb das TSG vor, dass sich trans Personen geschlechtsangleichenden Operationen unterziehen müssen – auch, wenn sie das gar nicht wollen (§8, Absatz 1, Nr. 4). Zudem mussten sie sich sterilisieren lassen (§8, Absatz 1, Nr. 3 TSG) und von ihrem Ehepartner, ihrer Ehepartnerin, scheiden lassen (§8, Absatz 1, Nr. 2). Heute gilt das TSG als veraltet und soll durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Demnach sollen Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. Das Gesetz soll laut Beschluss des Bundeskabinetts am 1. November 2024 in Kraft treten.

Der Renteneintritt brachte Nora Eckert zum Umdenken

Doch als es auf die Rente zuging, habe sie das zum Nachdenken angeregt, berichtet Eckert, die heute unter anderem Vorständin beim Bundesverband Trans* und bei TransInterQueer e. V. ist und ein Buch mit dem Titel „Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin“ veröffentlicht hat. „Da ist mir bewusst geworden, dass diese 36 Jahre Anonymität eigentlich das Gegenteil von emanzipiert waren. Ich wollte aber emanzipiert sein und das hieß, dass ich sichtbar werde als Transperson in der Öffentlichkeit.“

„Ich bin heute davon überzeugt, dass ich eigentlich nie einen Grund hatte, mich zu verstecken. Trans ist eine Tatsache, und die werde ich nicht los. Ich muss es mir nicht an die Brust heften, dass ich trans bin, aber ich kann damit offen umgehen.

Transaktivistin Nora Eckert

Das habe sie dazu gebracht, sich aktivistisch für die Rechte von Transmenschen einzusetzen. „Das war noch mal wie ein Befreiungsschlag“, so die 69-Jährige. „Es war 1976 ein Befreiungsschlag, weil ich endlich wusste, wo ich richtig bin, und es war 2019 noch mal ein Befreiungsschlag, weil ich wusste, ich muss mich nicht mehr verstecken.“ Eckert führt aus: „Ich bin heute davon überzeugt, dass ich eigentlich nie einen Grund hatte, mich zu verstecken. Trans ist eine Tatsache, und die werde ich nicht los. Ich muss es mir nicht an die Brust heften, dass ich trans bin, aber ich kann damit offen umgehen.“ Denn sich zu verstecken bedeute für sie auch, „dass man permanent auf der Hut sein muss, damit einen die Vergangenheit nicht doch einholt“. Und das will sie nicht.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Forderung nach mehr Kontrolle in sozialen Medien

Dass es Diskriminierung von Transmenschen auch heute noch gibt, weiß auch Eckert. „Ich glaube, dass die Mehrheitsgesellschaft im Grunde kein Problem mit uns hat“, sagt sie. „Ich habe nie wirklich Ablehnung erfahren in meiner Umgebung. Aber ich weiß, dass es auch Hass und Gewalttätigkeit gibt.“ Da sei zum einen Aufklärung nötig, aber auch mehr Kontrolle in den sozialen Medien, fordert sie. „Denn Hassreden in Social Media führen irgendwann auch zu Gewalt auf der Straße. Es wird so lange aufgeheizt, bis sich das in Attacken auf der Straße entlädt.“

Auch manche Debatten rund um das neue Selbstbestimmungsgesetz, das im November in Kraft treten soll, kann sie nicht nachvollziehen. „Da gibt es sehr lautstarke, wenn auch nicht große Gruppen, die gegen diese Selbstbestimmung wettern“, sagt Eckert. „Da werden Missbrauchsängste hochgespielt.“ Eckert betont, dass es bereits viele Länder gebe, in denen die Selbstbestimmung schon gesetzlich verankert sei. „Und dort haben wir noch nie gehört, dass in einem großen Stil Missbrauch stattfindet“, so die Aktivistin. „Klar, es gibt immer Einzelfälle, aber die wird man nicht verhindern können. Aber hier wird es von manchen so dargestellt, als wenn Millionen von Männern nur darauf warten, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, um dann in eine Frauensauna, -umkleide oder -toilette gehen zu können. Ich weiß nicht, wie man sich so etwas ausdenken kann.“

Realität von Transmenschen sieht anders aus

Mit der Realität von Transmenschen habe das nichts zu tun, so Eckert. „In dieser Gesellschaft muss sich niemand vor Transmenschen fürchten. Im Gegenteil: Die Realität sieht eher so aus, dass wir uns mitunter fürchten müssen, gerade wenn die geschlechtliche Eindeutigkeit nicht gegeben ist. Das scheint bei manchen zu Aggressionen und Gewalt zu führen.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„37 Grad: Trans ‒ Drei Generationen, eine Reise“ läuft am Dienstag, 19. März, ab 22.15 Uhr im ZDF und ist ab dem Tag um 8 Uhr bereits in der Mediathek streambar.



Source link www.ostsee-zeitung.de