Nach einer von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl haben russische Staatsmedien Kremlchef Wladimir Putin ein Rekordergebnis von mindestens 87 Prozent der Stimmen prognostiziert. Das russische Staatsfernsehen erklärte den 71-Jährigen auf Grundlage von Wählernachbefragungen mehrerer kremlnaher Institute zum Sieger. Bei der von zahlreichen Protestaktionen begleiteten Abstimmung über eine fünfte Amtszeit Putins waren keine echten Oppositionskandidaten zugelassen.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Zentralen Wahlkommission der Russischen Föderation um 20 Uhr Moskauer Zeit bei 73,33 Prozent, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Das entspräche dem höchsten Wert jemals bei einer russischen Präsidentenwahl. Die ersten aussagekräftigen Resultate soll es an diesem Montag geben. In der Regel stimmen die Prognosen mit dem am Ende verkündeten Ergebnis überein. Es wäre ein Rekord für Putin, der 2018 auf 76,7 Prozent der Stimmen kam.

Das Ergebnis stand vor der Wahl bereits fest, einen nennenswerten Gegenkandidaten gab es nicht. Ernst zu nehmende Oppositionelle mussten entweder ins Ausland fliehen, sitzen in Lagerhaft oder sind unter unklaren Umständen ums Leben gekommen. Beobachter kritisierten die Wahl daher als unfrei und unfair. Oppositionelle und unabhängige russische Medien berichteten von Manipulation und Einschüchterungsversuchen im Umfeld der Wahl. Das Bürgerrechtsportal OWD-Info zählte bislang 77 Festnahmen, die mit der Wahl in Verbindung stehen. Auch in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten in der Ukraine wurde abgestimmt, die Wahlen dort werden nach internationalem Recht nicht anerkannt.

Die Wahl war begleitet von Protesten

Obwohl Putins Bestätigung im Amt nur Formsache war, ist die Wahl für den Kreml dennoch wichtig. Die hohen Zustimmungswerte räumen ihm Legitimation ein für das drastische Vorgehen in der Ukraine sowie gegen Regimegegner im eigenen Land.

Putin dürfte das Ergebnis nun als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren. Beobachter erwarten, dass er mit diesem Rückhalt für die nächsten sechs Amtsjahre in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch einmal deutlich nachlegt. Viele Russen befürchten zudem eine neue Mobilmachung Hunderttausender Reservisten. Auch innenpolitisch könnten die Daumenschrauben im Land noch einmal deutlich stärker angezogen werden, um den an den drei Wahltagen sichtbaren Protest von Putins Gegnern zu ersticken. Angekündigt sind zudem Steuererhöhungen, mit denen die hohen Ausgaben für den Krieg und die sozialpolitischen Vorhaben finanziert werden sollen.

Die Wahl war begleitet von Protesten. Trotz Drohungen des Kreml folgten Tausende russische Staatsbürger dem Aufruf des Teams des verstorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny und kamen gegen Mittag zu den Wahllokalen, wo sich in der Folge lange Schlagen bildeten. Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug bei der Wahl hin. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten. Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Beobachter dokumentierten auch das massenhafte Stopfen von vorab ausgefüllten Stimmzetteln in die Urnen.



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