Tausende Menschen haben sich in Moskau und St. Petersburg am letzten Tag der Präsidentenwahl in Russland an dem stillen Protest gegen die Wiederwahl von Kremlchef Wladimir Putin beteiligt. Das Umfeld des im Straflager gestorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny berichtete, dass sich bei der vom Team des Kremlgegners organisierten Aktion „Mittag gegen Putin“ am Sonntag in den Millionenstädten lange Schlangen um 12 Uhr Ortszeit (10 Uhr MEZ) an den Wahllokalen bildeten. Russische Wähler folgten demnach massenhaft dem Aufruf, mit der Anwesenheit zur Mittagszeit ihre Ablehnung gegen Putin zu zeigen.

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Widerstand gegen fünfte Amtszeit

Auch in vielen anderen russischen Städten gab es zahlreiche Teilnehmer an den Aktionen. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream bei YouTube zahlreiche Videos und Fotos von den Aktionen. Der Oppositionelle Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys im Exil im Baltikum, sprach von einer „Explosion“ des Widerstands gegen eine fünfte Amtszeit Putins.

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Vor dem Wahllokal 31 in Moskau hatte sich ebenfalls eine Schlange gebildet, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Der Wahlbezirk ist klein, trotzdem fanden sich zur Mittagszeit mehr als 50 Menschen da ein.

Stimmen ungültig machen

Die Opposition schlug den Wählern vor, die Stimmzettel etwa durch das Ankreuzen mehrerer der vier Kandidaten ungültig zu machen. Zudem gab es die Möglichkeit, einen von Nawalny erdachten Zufallsgenerator auf dem Mobiltelefon zu nutzen, der einen Kandidatennamen ausgab.

Nawalnys Team beklagte massenhaften Betrug bei der Abstimmung. Die Aktion gegen Putin sollte laut dem Nawalny-Team auch zeigen, dass die Angaben zur Wahlbeteiligung auch laut vielen unabhängigen Beobachtern manipuliert sind.

Krisen-Radar

RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.

Teils hatten die Behörden in Russland vor solchen Protestaktionen gewarnt und den Menschen mit Anzeigen wegen Extremismus gedroht. Die Lage blieb allerdings friedlich. Über Festnahmen war zunächst nichts bekannt. Teils veröffentlichten Wähler Stimmzettel in den sozialen Netzwerken, auf denen neben Putins Namen das Wort Mörder stand. Manche schrieben demnach auch einfach den Namen Nawalnys auf den Stimmzettel. Ein älterer Mann sagte mit Blick auf den im Februar gestorbenen Oppositionsführer: „Mein Präsident ist schon nicht mehr unter den Lebenden“. Nawalny ist in Moskau beerdigt.

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Nawalnaja bei Protest in Berlin

An dem Protest in Berlin hat am Sonntag auch Julia Nawalnaja teilgenommen, die Witwe des toten Kremlgegners Alexej Nawalny. Nawalnys Team veröffentlichte am Nachmittag auf Telegram Aufnahmen, die Nawalnaja in Begleitung von Sprecherin Kira Jarmysch inmitten einer Menschenmenge auf der Wilhelmstraße zeigen. Zu sehen ist auch, wie Nawalnaja von einer Frau umarmt wird. Dazu schrieb das Team die Worte „Mittag gegen Putin“ – unter diesem Motto waren die Proteste anlässlich der am Sonntag endenden Präsidentschaftswahl in Russland angekündigt worden.

Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, steht in einer Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin, um ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abzugeben.

Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, steht in einer Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin, um ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abzugeben.

Nach Polizeiangaben beteiligten sich an der Demonstration rund 800 Menschen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten riefen „Sieg für die Ukraine! Freiheit für Russland!“, „Nawalny ist ein Held Russlands“ und „Putin ist illegitim“. Zahlreiche Menschen schwenkten Fahnen in Weiß-Blau-Weiß, was die neuen Farben eines freien Russlands sein sollen, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagten.

Direkt nebenan standen nach Angaben der Polizei rund 2000 Menschen in einer Schlange vor der russischen Botschaft, um wählen zu gehen. Auch Nawalnaja und der im Exil in Großbritannien lebende Unternehmer und Kremlkritiker Michail Chodorkowski reihten sich ein, wie auf Videos auf der Plattform X zu sehen war. Eine Wählerin stand gegen Mittag schon zwei Stunden an.

Generalkonsulat in Bonn überfüllt

Auch im Generalkonsulat in Bonn haben zahlreiche Russinnen und Russen ihre Stimme abgegeben. Die Polizei schätzte die Anzahl der Wartenden in einer mehrere Hundert Meter langen Schlange am frühen Nachmittag auf rund 1000. Aufgrund des hohen Fahrzeugaufkommens komme es auf den Straßen rund um das russische Generalkonsulat zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen und temporären Sperrungen, schrieb die Polizei auf der Plattform X (früher Twitter).

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In Deutschland lebende Russen können am Sonntag von 8.00 bis 20.00 Uhr in Bonn-Bad Godesberg ihre Stimme abgeben. Ein weiteres Wahllokal gibt es hierzulande noch in der russischen Botschaft in Berlin. In der Nähe des Generalkonsulats begannen am Sonntagmittag zwei Demonstrationen als Standkundgebungen. An einer Demo unter dem Motto „Mittags gegen Putin“ nahmen laut Polizei rund 150 Menschen teil. Bei einer prorussischen Kundgebung zählte die Polizei 15 bis 20 Teilnehmer.

Das Generalkonsulat hatte verstärkte Kontrollmaßnahmen am Wahllokal angekündigt, um die Sicherheit der Wählerinnen und Wähler und der Mitglieder der Wahlkommission zu gewährleisten.

RND/dpa



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