In Russland läuft der letzte Tag der Präsidentschaftswahlen, bei denen sich Wladimir Putin im Amt bestätigen lassen will. Die russischen Staatsmedien berichten, am Vormittag habe die Wahlbeteiligung bereits bei mehr als 60 Prozent gelegen, am Ende könnten es 80 Prozent werden. Die meisten von ihnen werden für Putin stimmen, nennenswerte Gegenkandidaten gibt es nicht. Dennoch läuft die Abstimmung nicht so störungsfrei, wie es sich der Kreml vorstellt.

Das Team um den gestorbenen Kremlgegner Alexej Nawalny berichtet von zahlreichen Protestteilnehmern gegen die Wiederwahl Putins. Demnach kamen in vielen Teilen des Landes Tausende Menschen zusammen, um sich der Aktion “Mittag gegen Putin” anzuschließen. Putin-Gegner sind dazu aufgerufen, die Wahllokale zur Mittagszeit zu besuchen.

Der Oppositionelle Michail Chodorkowski, der in London im Exil lebt, erklärte: “Bei der Aktion ‘Mittag gegen Putin’ können wir einander in die Augen sehen, Gleichgesinnte sehen und erleben, dass die, die gegen Putin sind, zahlreich sind. Wir haben die Mehrheit”. Im äußersten Osten Russlands in Wladiwostok, in Nowosibirsk, Omsk, Irkutsk und anderen sibirischen Städten sollen sich Nawalnys Team zufolge Menschen daran beteiligt haben. In Jekaterinburg sollen es Hunderte Menschen gewesen sein. In den Millionenstädten Moskau und Sankt Petersburg sollen sich Tausende Menschen zum stillen Protest versammelt haben.

Putin-Gegner sollen sehen, dass sie “zahlreich sind”

In den Wahllokalen bleibt den russischen Staatsbürgern die Wahl zwischen Amtsinhaber Putin und den drei weiteren Kandidaten Wladislaw Dawankow, Leonid Slutski und Nikolai Charitonow. Alle drei unterstützen Putin mehr oder weniger direkt, sie geben der Scheinwahl ihren demokratischen Anstrich.

Die Opposition in Russland hat ihre Anhänger dazu animiert, ungültige Stimmen abzugeben, etwa indem bei allen vier Kandidaten ein Kreuz gemacht wird. Nawalnys Team hat sich noch einen weiteren Weg überlegt, die Wahl zu stören. Noch vor seinem Tod hat es die App “Foton-2024” programmiert: ein Zufallsgenerator, der zufällig einen der drei Gegenkandidaten auswählt, dem man dann seine Stimme geben kann.

Der Kreml schüchtert mit Droh-SMS und bewaffneten Soldaten ein

Bereits am Samstag gab es Protest gegen die Scheinwahl. In einigen Städten kippten Männer und Frauen Farbe in die Wahlurnen, um die darin liegenden Stimmzettel ungültig zu machen. Teils legten sie kleinere Brände. Mehrere Menschen wurden festgenommen.

Im Vorfeld der Wahl hatte die russischen Behörden bereits versucht, aufkeimenden Protest zu verhindern. Unabhängige russische Medien berichten von Droh-Nachrichten per SMS die etwa Einwohner in Moskau erhalten hätten. “Unabhängig davon, dass du Ideen extremistischer Organisationen unterstützt, freuen wir uns, dass du in Moskau wählen wirst”, heißt es darin. Man solle “ruhig” an der Wahl teilnehmen – “ohne Warteschlangen und Provokationen”.

Es gibt auch unbestätigte Videoaufnahmen aus russischen Wahllokalen, in denen bewaffnete Soldaten teils in die Kabinen gehen. Auch aus den besetzten ukrainischen Gebieten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson gibt es Berichte über Einschüchterungen und auch über Manipulation.

Neben der Sorge vor größerem Widerstand in der Bevölkerung beschäftigt den Kreml an diesem Wahltag die Militäraktionen der Ukraine. Das russische Verteidigungsministerium meldet, man habe 35 Drohnen abgefangen. Getroffen wurde offenbar eine Ölraffinerie bei Krasnodar, auch über Moskau wurden Drohnen abgefangen. Zwischenzeitlich war der Verkehr an den drei internationalen Moskauer Flughäfen eingeschränkt. Im völkerrechtswidrig besetzte Saporischschja brannte den Besatzungsbehörden zufolge ein Wahllokal. Ausgelöst worden sein soll das Feuer durch einen Drohnenangriff.

Auch in den Grenzregionen Kurs und Belgorod, wo bereits vor einigen Tagen proukrainische Freiwilligenverbände gegen das russische Militär kämpfen, kommt es wieder zu Gefechten und Angriffen. In dieser Woche griff die Ukraine das Nachbarland so massiv an wie noch nie seit der Invasion Russlands vor zwei Jahren. Offensichtlich ist das Ziel, die Wiederwahl Putins zu stören.

Mit Material der dpa.



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