„Gut essen und trinken“ lautet der Titel der neuen Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). In den Empfehlungen der DGE ging es bisher immer nur darum, welche Lebensmittel besonders gesund oder ungesund sind. Der aktuelle Ratgeber berücksichtigt hingegen stark, wie klimaverträglich eine Ernährungsweise ist. So werden plötzlich deutlich geringere Mengen von Milch, Fleisch und Eiern empfohlen als bislang. Ob mit „guter Ernährung“ eher „gut für die Gesundheit“ oder vielmehr „gut für die Umwelt“ gemeint ist, lässt sich dabei kaum auseinanderhalten. Das Redaktions­Netzwerk Deutschland hat bei der DGE nachgefragt, wie sie die einzelnen Empfehlungen begründet.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Bald ist wieder Ostern. Wer sich an die neuen DGE-Empfehlungen halten möchte, kann sich dann entscheiden, ob er sich lieber am Ostersonntag oder am Ostermontag ein Frühstücksei gönnen will. Denn der klimafreundliche neue Ernährungsplan empfiehlt, nur noch ein Ei pro Woche zu essen. Dabei enthalten Eier hochwertiges Protein, Vitamin A, Vitamin D und B‑Vitamine sowie Mineralstoffe, das hatte bisher auch die DGE betont. Wegen ihres Gehalts an Cholesterin sollten Eier zwar nicht unbegrenzt genossen werden, so war die bisherige Position der DGE. Anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse lasse sich aber keine Obergrenze festlegen, ab der der Eierverzehr schädlich wäre.

Risiko für Darmkrebs nur leicht erhöht

Zwei bis drei Eier pro Woche nannte die Gesellschaft zuvor als ungefähren Richtwert für eine gesunde Ernährung. Neue Erkenntnisse, die dem widersprechen, gibt es nicht, erklärt Antje Gahl, Leiterin der Pressestelle bei der DGE. „Die neue Empfehlung, nur noch ein Ei pro Woche zu essen, ist nicht abgeleitet von Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen.“ Stattdessen gehe es um die Nachhaltigkeit. Eier sind ein tierisches Lebensmittel und gelten als wenig klimafreundlich, das wollte die DGE in ihrem neuen Leitfaden berücksichtigen. Das bedeute aber nicht, dass es der Gesundheit schadet, mehr als ein Ei pro Woche zu essen, bestätigt Gahl.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Auch beim Fleischkonsum hat die DGE ihre Empfehlung deutlich reduziert. Statt bisher bis zu 600 Gramm Fleisch pro Woche empfiehlt sie nun nur noch maximal 300 Gramm pro Woche und zwei Scheiben Wurst zu essen. Über die möglichen gesundheitlichen Risiken des Fleischkonsums wird seit Langem gestritten. So hatte die Weltgesundheits­organisation (WHO) 2015 verarbeitetes Fleisch wie Wurst und Wurstwaren als krebserregend eingestuft, rotes Fleisch, also Fleisch von Rindern, Schweinen, Schafen oder Wild, als wahrscheinlich krebserregend. Dabei ging es vor allem um ein leicht erhöhtes Darmkrebsrisiko, das in manchen Studien bei einem starken Verzehr beobachtet worden war.

klima-check

Erhalten Sie die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Die Einstufung wurde damals auch kritisiert. So wies zum Beispiel das Netzwerk für evidenzbasierte Medizin darauf hin, dass die beobachteten Zusammenhänge gering waren. So könnte sich das absolute Risiko eines 45-jährigen Mannes, innerhalb von zehn Jahren an Darmkrebs zu erkranken, von 0,4 Prozent auf 0,5 Prozent erhöhen, wenn er täglich 50 Gramm Wurst essen würde (bei Frauen ist das Risiko noch geringer). Spätere Studien hatten die WHO-Einschätzungen weiter relativiert.

Eine Übersichtsstudie von 2021 kam zu dem Schluss, dass es nur schwache Beweise für ein erhöhtes Krebsrisiko durch den Konsum von verarbeitetem oder rotem Fleisch gebe. Ein Zusammenhang sei lediglich möglich, nicht sicher erwiesen oder wahrscheinlich. Die DGE selbst hatte für ihren 14. DGE-Ernährungsbericht von 2020 die Studienlage ausgewertet. Dabei fand sie viele Hinweise darauf, dass übermäßiger Fleischverzehr das Risiko für Diabetes Typ 2 erhöhen könnte. Für einen Zusammenhang mit dem Darmkrebsrisiko war die Beweislage mäßig, für einen Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gab es nur geringe Hinweise. Ein „hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch wie Wurst“ habe einen „eher ungünstigen Einfluss auf die untersuchten Krankheitsrisiken“, lautete damals die vorsichtige Schlussfolgerung der DGE. Für weißes Fleisch wie Geflügelfleisch von Huhn oder Pute zeigten die Studien hingegen kein erhöhtes Risiko.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Milchprodukte haben schützende Wirkung

Zudem hat Fleisch laut DGE auch wertvolle Inhaltsstoffe wie gut verfügbares Eisen sowie Selen und Zink. Sie empfahl also bisher einen mäßigen Konsum von bis zu 600 Gramm pro Woche. Bei der neuen Empfehlung, diese Menge zu halbieren, gehe es nicht um das reine Gesundheitsrisiko, sagt Gahl. Sie sei für Menschen gedacht, die bei der Ernährung neben ihrer Gesundheit den Umweltaspekt berücksichtigen wollen. Wenn jemand weiterhin die zuvor empfohlenen 600 Gramm Fleisch pro Woche esse, sei das aus gesundheitlicher Sicht auch nicht viel. „Es lässt sich nicht anhand von Studien belegen, wer 600 Gramm Fleisch isst, sei automatisch ungesünder als jemand, der 300 Gramm Fleisch ist“, so Gahl.

Wer 600 Gramm Fleisch pro Woche esse, solle aber nach Möglichkeit nicht nur rotes und vor allem nicht nur verarbeitetes Fleisch essen, sondern auch helles. „Bei hellem Fleisch gibt es keine Belege für eine schädliche Wirkung“, sagt Gahl. Trotzdem ist bei den neuen Empfehlungen weißes Fleisch in den 300 Gramm pro Woche inbegriffen. Das heißt, auch davon wird nur ein mäßiger Verzehr empfohlen. Geschuldet ist das allein dem Klimagedanken. Wer gern weißes Fleisch ist, kann aus gesundheitlicher Sicht auch mehr davon essen, so Gahl. Tatsächlich gilt vor allem mageres weißes Fleisch als gesund und wird besonders oft im Rahmen einer kalorienreduzierten Ernährung empfohlen.

Auch die angepasste Empfehlung für den Verzehr von Milch und Milchprodukten ist nicht gesundheitlich begründet. „Milch ist ein wertvolles Lebensmittel“, sagt Gahl. Selbst in dem neuen DGE-Ratgeber werden ausdrücklich die Vorteile von Milchprodukten gelobt: „Milch und Milchprodukte liefern insbesondere Eiweiß, Kalzium, Vitamin B und Jod und unterstützen die Knochengesundheit“, heißt es darin. Eine der Studien, die sich mit dem Krebsrisiko in Zusammenhang mit bestimmten Nahrungsmitteln befasst hat, stellte sogar eine schützende Wirkung von Milchprodukten fest. So scheinen diese im Gegensatz zu verarbeiteten Wurstwaren das Darmkrebsrisiko zu verringern. Trotzdem empfiehlt die DGE jetzt statt wie bisher drei Portionen täglich auf einmal nur noch zwei Portionen, was einem Glas Milch und einer Scheibe Käse oder zwei Scheiben Käse entspricht. Dabei gehe es aber rein um die Auswirkungen der Ernährung auf die Umwelt, so Gahl. Die neue Verzehrmenge könne den Kalziumbedarf weiterhin decken und sei dabei klimaverträglicher. Es sei aber nicht schädlich, ein Glas Milch mehr pro Tag zu trinken, wie nach den alten Empfehlungen.

Die Empfehlungen seien insgesamt nicht als Verbote oder Vorschriften, sondern nur als Orientierungshilfe gedacht, sagt Gahl. Und zwar für all diejenigen, die bei ihrer Ernährung gleichzeitig auf die Gesundheit und die Klimaverträglichkeit von Lebensmitteln achten wollen. In die Berechnungen der Verzehrmengen sei daher unter anderem eingeflossen, ob sich damit das Klimaziel vereinbaren lasse, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bei den früheren Empfehlungen der DGE war das nicht so, deshalb waren noch mehr tierische Lebensmitteln enthalten. Für alle, die nicht auf ein zweites Ei oder ein drittes Schnitzel pro Woche verzichten möchte, gibt es aber eine gute Nachricht: Auch die alten DGE-Empfehlungen gelten weiterhin als gesundheitsfördernd, bestätigt Gahl.



Source link www.ostsee-zeitung.de