Berlin. Der Bundeskanzler hat seine kurzfristig für das Wochenende angesetzte Nahost-Mission gestartet und trifft am Sonntagmittag in Jordanien König Abdullah – einen in der arabischen Welt bestens vernetzten Mann. Zuletzt traf Scholz ihn im Februar in München. Am Nachmittag reist er nach Israel weiter und trifft dort Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

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Kann er helfen, ihn von einem Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens doch noch abzubringen? Netanjahu billigte Pläne für den Militäreinsatz sowie für eine Räumung der Region, in der 1,5 Millionen Menschen vermutet werden. Viele Familien waren nach dem Beginn der israelischen Militäroffensive als Reaktion auf die brutalen Hamas-Attacken auf Israel im Oktober in die Region Rafah geflohen – auch, weil Israel das für ihre Sicherheit empfohlen hatte.

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„Wir machen uns Sorgen über den weiteren Fortgang der militärischen Entwicklung. Insbesondere besteht die Gefahr, dass es bei einer umfassenden Offensive in Rafah zu sehr vielen furchtbaren zivilen Opfern kommt“, hatte Scholz kurz vor seinem Abflug nach Jordanien gesagt, wo er am Samstagabend in Akaba ankam, das an der Grenze zu Israel am Toten Meer liegt. Wichtig sei, dass es jetzt „ganz schnell zu einer Verständigung über eine Waffenpause kommt“. Dann könnten Geiseln freigelassen werden und Hilfe nach Gaza gelangen. Es müsse Tempo gemacht werden.

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Die Situation verschlechtere sich immer weiter. Es gebe viele Opfer unter den palästinensische Bevölkerung. „Deshalb ist es notwendig, dass wir jetzt umfassend über die Situation sprechen.“ Jetzt müsse Hilfe in größerem Umfang nach Gaza gelangen.

Scholz fordert Waffenruhe vor Reise nach Israel und Jordanien

Der Bundeskanzler ist auf dem Weg nach Jordanien, am Sonntag reist er nach Israel. Vor seiner Abreise warnte Scholz vor einer Bodenoffensive im Gazastreifen.

Scholz erklärt grundsätzlich, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson und Israel habe jedes Recht zur Verteidigung. Israel müsse aber das humanitäre Völkerrecht einhalten. Er hat Israel mehrfach „ausdrücklich vor einer großflächigen Offensive“ gegen Rafah gewarnt. Nach US-Angaben sind bisher allein 25.000 Kinder und Frauen getötet worden.

Zum Ziel der Reise des Bundeskanzlers hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit zuvor erklärt: „Es bleibt dabei: Wir stehen eng, unverbrüchlich an der Seite Israels. Trotzdem fordern wir auch ganz klar, alle Bedingungen, die es zu erfüllen gibt, zu erfüllen.“

Scholz wird neben Netanhaju auch mit dem als gemäßigt geltenden israelischen Präsidenten Izchak Herzog sprechen. Ein Treffen mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde ist nicht geplant. In Jordanien kommt Scholz mit König Abdullah zusammen, ein in der Region einflussreicher Ansprechpartner.

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Forderung an die Hamas

Scholz will in Israel auch mit Angehörigen der Hamas-Geiseln sprechen. Die terroristisch-islamistische Organisation hatte bei ihrem Massaker am 7. Oktober 1200 Menschen ermordet und 250 in den Gazastreifen verschleppt. Während einer Feuerpause Ende November 105 freigelassen. Nach offiziellen Angaben sind noch rund 100 Geiseln in Gaza am Leben. Ihre Freilassung ist für Scholz eine Grundvoraussetzung für Verhandlungen.

Die Hamas pocht nach Agenturberichten für die Freilassung weiterer Geiseln auf einen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen sowie die Entlassung palästinensischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen vor. Der arabische Fernsehsender Al Dschasira berichtete demnach, die Hamas habe einen Vorschlag in drei Phasen von jeweils 42 Tagen vorgelegt. Sie stelle die Bedingung, dass mit der zweiten Phase ein dauerhafter Waffenstillstand verkündet wird – bevor sie israelische Soldaten freilassen. Für jede israelische Soldatin sollten 50 palästinensische Gefangene in Israel, darunter 30 mit lebenslangen Haftstrafen, freigelassen werden.

Die Wut der Verzweifelten – Proteste gegen Netanjahu verschärfen sich

In Israel wächst der Zorn über die israelische Regierung. Im Zentrum der Demonstrationen stehen die Familien der Geiseln wie Gadi Kedem und seine Frau, die bei dem Hamas-Überfall vom 7. Oktober ihre Tochter, deren Mann und die drei Enkelkinder verloren haben. Doch auch gegen die Angehörigen geht die Polizei mit aller Härte vor.

Die internationale humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen reicht nicht aus. Was über eine Luftbrücke oder Seebrücke ankomme, sei „bestenfalls eine zweitbeste Lösung“, sagt ein Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). In Gaza gebe es keinen funktionierenden Hafen. Deshalb sei die Entladung der Schiffe schwierig. Das Projekt der USA, einen Behelfshafen zu bauen, werde noch einige Zeit dauern. Entscheidend seien Hilfslieferungen auf dem Landweg. Israel müsse dafür aber weitere Grenzübergänge öffnen.

Deutschland beteiligt sich an der Luftbrücke

Die Luftwaffe hilft mit Transportflugzeugen beim Abwurf von Lebensmittelpaketen und Medikamenten über dem Gazastreifen. Dafür werden in Frankreich stationierte C-130-Transportflugzeuge Hercules der Bundeswehr eingesetzt. Die erste Lieferung mit vier Tonnen Lebensmittel auf vier Paletten, unter anderem mit Reis und Mehl, wurde am Samstag nach Luftwaffe-Angaben „punktgenau aus etwa 1000 Metern Höhe“ über dem Norden des Palästinensergebietes an Fallschirmen abgesetzt. Die nächste Lieferung war für Sonntag geplant.

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Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums am Mittwoch „mit ihrem Gepäck für unbestimmte Zeit aufgebrochen“ und wären innerhalb von zwei Tagen mit Material, Paletten und Fallschirmsystemen in Jordanien angekommen, das die Hilfsaktion initiiert hat. Von dort aus werden nun tonnenweise Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen werden.

Ferne Zukunft: Eine Zweistaatenlösung

Deutschland und viele andere Staaten setzen sich seit Jahren für eine Zweistaatenlösung ein – Israel auf der einen Seite und ein palästinensischer Staat auf der anderen Seite. Hebestreit sagt: „Die grundsätzliche Perspektive der Bundesregierung ist und bleibt das, was auch in vielen völkerrechtlichen Vereinbarungen immer wieder unterlegt ist, nämlich eine Zweistaatenlösung, der es einen eigenen Palästinenserstaat und gleichzeitig den israelischen Staat gibt. Und das bleibt die langfristige Perspektive. Und darum bemühen wir uns.“ Derzeit gilt eine Zweistaatenlösung allerdings als ausgeschlossen. Solange Netanjahu an der Macht sei, werde sie wohl nie kommen, heißt es.



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