Sydney. Am Wochenende hält der australische Bundesstaat Queensland seine Kommunalwahlen ab. Letzteres hört sich nach einer banalen Nachricht an. Doch einer der Kandidaten für den Stadtrat an der Gold Coast ist derzeit auch wegen Mordes angeklagt. Der Fall ist zumindest ungewöhnlich. In Australien ist man derzeit eher überfordert, vor allem, da der konservative Politiker in seiner Region ausgesprochen beliebt und eine Wiederwahl durchaus realistisch ist.

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Vorgeworfen wird Ryan Bayldon-Lumsden, im vergangenen August seinen Stiefvater, den 58-jährigen Robert Lumsden, im Haus der Familie ermordet zu haben. Der australische Politiker beteuert seine Unschuld, die Gerichtsverhandlung selbst kann sich noch lange hinziehen. Die Mühlen der Justiz mahlen in Australien langsam. Seit September ist der 31-Jährige als Stadtrat mit einem Gehalt von 160.000 Australischen Dollar – umgerechnet fast 100.000 Euro – suspendiert. Trotzdem tritt er jetzt zur Wiederwahl an.

Wahlkampagne mit elektronischer Fußfessel

Die Wahlkampagne hat Ryan Bayldon-Lumsden nicht nur mit einem Lächeln auf den Lippen absolviert, sondern auch mit einer elektronischen Fußfessel am Bein. Die ist gut unter der Hose versteckt, doch die wenigsten achten ohnehin darauf. Lokale Medien berichten, wie er die Tage vor der Wahl Wählerinnen und Wähler freundlich mit Namen begrüßt hat und wie die Einheimischen sich freuen, ihn zu sehen.

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Denn Bayldon-Lumsden hat sich in den vergangenen drei Jahren als Stadtrat einen Namen gemacht. Laut eines Berichts der australischen Ausgabe von „The Guardian“ haben die meisten Wählerinnen und Wähler diese Erfolge im Auge – seine Mordanklage interessiert sie nicht und viele wussten auf Nachfrage nicht wirklich Bescheid. „Er wurde nicht für schuldig befunden“, betonte die Wählerin Aimee Teikake beispielsweise gegenüber der Tageszeitung. „Wir mögen ihn und werden trotzdem für ihn stimmen“, sagte sie. Ähnlich äußerte sich auch Michael Nides: „Er war immer bereit zuzuhören“, meinte er. Während seiner Amtszeit seien Dinge repariert und ernst genommen worden. Andere machen sich jedoch aufgrund der aktuellen Unsicherheit, die ihn umgibt, Sorgen. „Er ist ein netter Kerl, er hat gute Dinge getan“, meinte Anna Balaras. Aber angesichts der aktuellen Situation halte sie seine Wiederwahl nicht für eine gute Idee.

Demokratie soll „ihren Lauf nehmen“

Bayldon-Lumsden selbst äußert sich kaum zu seiner aktuellen Situation, betonte aber gegenüber „The Guardian“, dass „die Demokratie ihren Lauf nehmen“ sollte. Die Zusammenarbeit mit der Community liege ihm am meisten am Herzen. Er wolle sich auch weiterhin um Fußwege und Straßen, Parks und Gemeinschaftsveranstaltungen kümmern.

Sollte Bayldon-Lumsden am Samstag wiedergewählt werden, ist noch unklar, ob und wann er sein Amt wieder antreten könnte. Eine erneute Suspendierung würde dann wie ein Damoklesschwert über ihm hängen und würde die Bewohnerinnen und Bewohner seines Bezirks im schlimmsten Fall erneut ohne Stadtrat zurücklassen. Die letztendliche Entscheidung obliegt der Ministerin für Kommunalverwaltung von Queensland, Meaghan Scanlon. Diese will sich vor der Wahl jedoch nicht dazu äußern.

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„Wir ermutigen die Leute, Ryan an die letzte Stelle zu setzen“

Da Wählen in Australien Pflicht ist, wird die Wahlbeteiligung hoch sein. Konkurrenz hat Ryan Bayldon-Lumsden aber ebenfalls ausreichend. Für seinen Bezirk kandidieren noch fünf andere Kandidatinnen und Kandidaten. Diese haben sich für eine Kampagne gegen ihn zusammengeschlossen – die unter dem Motto steht: „Jeder außer Ryan.“ „Wir ermutigen die Leute, Ryan an die letzte Stelle zu setzen“, sagte die parteiunabhängige Kandidatin Jenna Schroeder der BBC. Wählerinnen und Wähler können die Kandidaten bei der Kommunalwahl in der von ihnen bevorzugten Reihenfolge durchnummerieren.

Ein weiterer Anwärter auf das Rennen am Samstag, Edward Sarroff, erklärte dem britischen Sender, dass er das Gefühl habe, dass die Gemeinschaft den Fall „bis zu einem gewissen Grad romantisiert“ habe. Man habe das Gefühl, ihm helfen zu wollen, dabei sei das Ganze „eine Sache der Gerichte“. „Niemand bestreitet, dass er gute Arbeit für die Gemeinschaft geleistet hat.“ Das Problem sei aber, dass er derzeit nicht in der Lage sei, für diese Gemeinschaft zu arbeiten.



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