Brüssel. Vor dem Berliner Landgericht verklagt derzeit ein 38‑jähriger Familienvater den Staat auf Schadensersatz. Denn die EU‑Richtlinie 2019/1158 verspricht allen Vätern zehn Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub nach der Geburt. Obwohl dies sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, hat es Deutschland bislang versäumt, diese Regelung in nationales Recht zu überführen.

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In der EU‑Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben heißt es: „Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Väter oder – soweit nach nationalem Recht anerkannt – gleichgestellte zweite Elternteile, Anspruch auf zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub haben, der anlässlich der Geburt des Kindes des Arbeitnehmers genommen werden muss.“ Mit dem Gesetz will die Europäische Union die Gleichstellung von Männern und Frauen fördern und traditionelle Geschlechterrollen aufbrechen. Sie soll Väter ermutigen, sich aktiv an der Kinderbetreuung zu beteiligen.

„Die EU hat mit der Verabschiedung der Richtlinie zu Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben europaweit Standards gesetzt“, so Gaby Bischoff, arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der Europa-SPD. „In Deutschland gab es, im Gegensatz zu anderen Mitgliedsstaaten, bisher keine extra Väterzeit direkt nach der Geburt“, sagt die Sozialdemokratin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Nun gebe es für Väter ein Anrecht auf zwei Wochen bezahlte Auszeit, um sich um Mutter und Kind zu kümmern. „Das hilft beiden Eltern, gerade in den aufregenden ersten Wochen nach der Geburt.“ Schließlich sei dies für viele Familien eine wichtige, aber auch herausfordernde Phase.

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Der Vaterschaftsurlaub gilt auch für Teilzeitbeschäftigte und Leiharbeitnehmer. Außerdem können ihn auch Väter in Anspruch nehmen, die erst seit Kurzem in einem Unternehmen arbeiten.

Die EU und ich: Wie Europa unseren Alltag beeinflusst – die RND-Serie zur Europawahl 2024

Dass Deutschland die EU‑Richtlinie bisher nicht umgesetzt hat, stößt immer wieder auf Kritik. Grundsätzlich gilt für die nationalen Regierungen eine dreijährige Umsetzungspflicht, die am 2. August 2022 ausgelaufen ist. Da die Bundesregierung diese Frist nicht eingehalten hat, leitete die EU ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Das hat offenbar Wirkung gezeigt: Das Familienministerium hat im vergangenen Jahr einen Referentenentwurf für den Vaterschaftsurlaub erarbeitet. Dieser steckt aber seitdem in der Ressortabstimmung der Ministerien fest. Streitpunkt ist offenbar die Finanzierung.

Die Klage eines Vaters gegen den Staat vor dem Landgericht Berlin könnte nun für neuen Schwung sorgen und die Umsetzung der EU‑Richtlinie vorantreiben. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat angekündigt, dass der Vaterschaftsurlaub noch in diesem Jahr kommen soll.

Dieser Artikel ist Teil unserer wöchentlichen Serie zur Europawahl 2024.



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