Der große deutsche Haushaltsgerätehersteller Miele verlagert Teile seiner Produktion nach Polen. Als Gründe nannte das Management laut „Zeit“ deutlich niedrigere Energiekosten und weniger bürokratische Hürden. Arbeitsplätze müssten verlagert werden, um bei sinkender Nachfrage Kosten zu sparen.  

Miele ist kein Einzelfall. Schon seit einiger Zeit zieht es bekannte deutsche Unternehmen ins Ausland. So entschied sich auch Mercedes laut Berichten der „Tagesschau“ für die Produktion von E-Sprintern ab Ende 2023 in einem Werk in Niederschlesien. 

Miele ist kein Einzelfall 

Für den DIHK-Innovationsreport 2023 wurden mehr als 2000 Unternehmer zum Wirtschaftsstandort Deutschland befragt.  Das Ergebnis ist ein alarmierender Blick in die Zukunft. Demnach leiden viele Unternehmen weiterhin unter Fachkräftemangel.  

Gleich danach wird der unverhältnismäßig hohe Bürokratieaufwand in Deutschland als Geschäftshindernis genannt.  

Laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie aus dem Jahr 2023 haben 16 Prozent der Unternehmen des industriellen Mittelstands Arbeitsplätze und Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Weitere rund 30 Prozent hätten bereits Absichten zur Abwanderung.  In Polen seien derzeit bereits etwa 9500 Unternehmen mit deutschem Inhaber ansässig und es würden immer mehr werden, berichtete die „Tagesschau“.

Das lockt die Unternehmen nach Polen 

Ella Grünefeld ist Interim Managerin und übernimmt für einen bestimmten Zeitraum die Leitung operativer Bereiche von Unternehmen. Sie begleitet unter anderem deutsche Unternehmen, die in Polen Fuß fassen wollen. Seit 2004 ist die gebürtige Polin mit Wohnsitz in Deutschland in diesem Bereich tätig. In der Vergangenheit arbeitete sie unter anderem für VW.  

„Erst jetzt kommen die falschen Entscheidungen der vergangenen Regierungen zum Tragen“, sagt sie zu FOCUS online. Für die steigende Nachfrage nach Standortverlagerungen ins Nachbarland sieht Ella Grünefeld verschiedene Gründe. 

„Nahezu alles ist für die Unternehmen einfacher als in Deutschland“ 

Besonders attraktiv für die Niederlassung an einem polnischen Standort seien die vorhandene Infrastruktur, geringe bürokratische Hürden und sehr gut ausgebildete Fachkräfte vor Ort.  

„Viele Prozesse in Deutschland ziehen sich über Jahre hinweg, etwa bei der Standorterweiterung eines Betriebes. Dieser Aufwand lohnt sich für Unternehmer in Deutschland oft nicht. In Polen ist ein vergleichbarer Prozess in etwas mehr als einem Jahr abgeschlossen.”  

Ein weiterer Pluspunkt für Polen: In sogenannten „Sonderwirtschaftszonen“ bekämen Unternehmen dort unkompliziert die notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt und teilweise Gewerbesteuer-Erleichterungen. 

„Nahezu alles ist für die Unternehmen einfacher als in Deutschland, da sie bei ihrer Niederlassung von den regionalen Behörden besser unterstützt werden“, so Grünefeld weiter. 

Probleme der deutschen Wirtschaft

Die Hauptursache für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands und die Abwanderung vieler Unternehmen sieht Ella Grünefeld in der Politik der vergangenen Jahrzehnte.  

„Die Ampelkoalition hat vieles vorgefunden, worum sich in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gekümmert wurde. Ich nenne die Stichworte Energiewende und Digitalisierung oder eine fehlende Infrastruktur wie etwa bei Glasfasernetzen oder Straßenbau.“ 

Der Krieg in der Ukraine verschärften nur die Probleme der deutschen Wirtschaft, sagt Grünefeld. Aber nicht nur die Politik, auch die Unternehmen hätten Fehler gemacht. Sie beobachte eine generell „technologiefeindliche Wirtschaft“, die von mangelndem Veränderungswillen geprägt sei. Die deutsche Wirtschaft unterschätze den Wettbewerb und erkenne nicht, wie stark die Konkurrenz vor allem in Europa geworden sei.

„Deutschen Ämter haben keinerlei Interesse daran, Prozesse zu vereinfachen“ 

„Die deutschen Wirtschaftsbosse leben im Wolkenkuckucksheim, sind hochnäsig und überschätzen die eigene Position im internationalen Vergleich. Zudem ist die deutsche Arbeitsmoral den modernen Anforderungen nicht gewachsen.“

Polnische Fachkräfte seien deutlich motivierter in Bezug auf ihre eigene Weiterentwicklung und würden ein größeres Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe zeigen, beispielsweise durch eine höhere Bereitschaft zur Eigeninitiative.  „Die Fehlerkultur ist ganz anders. Ein Mitarbeiter fühlt sich persönlich verantwortlich und betroffen, wenn etwas im Unternehmen schiefläuft.“

Ein weiterer wirtschaftsfeindlicher Faktor in Deutschland sei die öffentliche Verwaltung: “Die deutschen Ämter haben keinerlei Interesse daran, Prozesse zu vereinfachen“. Während also in Deutschland alles beim Alten bliebe, stehe Eigenverantwortung und die Möglichkeit der Weiterentwicklung im Sinne des Unternehmens in Polen im Vordergrund.

Unterschiede in der Arbeitsmoral

„Die Unterschiede in der Arbeitsmoral spiegeln sich in den Zahlen wider. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Unternehmen an ihren neuen polnischen Standorten zum Teil höhere Renditen erzielen und effizienter arbeiten. Ein weiterer Grund könnte die Wertschätzung weiblicher Führungskräfte sein, die in Polen auch kulturell bedingt ganz anders ist als in Deutschland“. 

Die großen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte und Titel wie “Exportweltmeister” hätten deutsche Politik und Wirtschaft blind gemacht. Eine logische Konsequenz aus diesen Versäumnissen sei eine Abwanderung ins Ausland – zum Beispiel nach Polen.





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