Alles begann damit, dass David McCallion im Jahr 2014 Veränderungen an seiner Brust feststellte. Irgendwie kam sie ihm größer vor, fast wie ein weiblicher Busen. Sein Arzt diagnostizierte schließlich eine Gynäkomastie – eine Vergrößerung der Brustdrüsen, die durch ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt entsteht. Als der Mediziner ihm erklärte, dass eine vergrößerte Männerbrust meist harmlos sei, ging der heute 59-Jährige erleichtert und beruhigt wieder nach Hause.

Fünf Jahre vergingen. Doch dann machte seine Brust wieder Ärger, erzählt McCallion der „Daily Mail“. Der in Oldham bei Manchester wohnende Sozialarbeiter hatte bemerkt, dass eine seiner Brustwarzen sich eingezogen hatte. Da er sich nicht erklären könnte, was es damit auf sich hatte, suchte er erneut seinen Hausarzt auf.

Ein paar Wochen und Untersuchungen später dann die niederschmetternde Diagnose: Brustkrebs. Das invasive duktale Mammakarzinom, das in den Brustdrüsengängen entsteht, war bereits im dritten Stadium und so groß geworden, dass es in umliegendes Gewebe eindrang.

Zweifacher Familienvater aus England leidet unter Brustkrebs

Für den zweifachen Familienvater ein Schock – allerdings ein erwartbarer. „Als es mir gesagt wurde, war es offensichtlich ein bisschen schockierend – ein bisschen deshalb, weil ich drei Wochen auf die Ergebnisse der Biopsie warten musste und es mir schon in den Kopf gesetzt hatte, dass es definitiv Krebs war“, berichtet McCallion.

Das habe auch an der genetischen Veranlagung in der Familie gelegen. So hätten sowohl seine Mutter als auch seine Schwester Brustkrebs gehabt. Darüber hinaus habe er seit seiner Gynäkomastie gewusst, dass ebenso Männer diese Art von Krebs bekommen können.

In Deutschland erhalten jedes Jahr 700 Männer eine Brustkrebsdiagnose

Für viele Menschen dürfte das allerdings eine Überraschung sein. Sie fragen sich: Wie können Männer an Brustkrebs erkranken, der häufigsten Krebsart unter Frauen?

Tatsächlich ist Brustkrebs unter Männern sehr selten. In Deutschland bekommen jährlich 700 Männer eine Brustkrebsdiagnose. Frauen sind 100-Mal häufiger betroffen; bei ihnen liegt die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen bei 70.000, schreibt das Deutsche Krebsforschungszentrum. Oftmals wird Brustkrebs bei Männern später als bei Frauen entdeckt, wenn die Krankheit schon weiter fortgeschritten ist. Das liegt unter anderem daran, dass es kein Früherkennungsprogramm wie etwa ein Mammografie-Screening für Männer gibt.

Um seine Enkel nicht zu erschrecken, rasierte sich McCallion während der Chemo die Haare ab

Infolge seiner Krebsdiagnose unterzog sich McCallion einer Mastektomie der rechten Brust – einer OP, bei der das Brustgewebe entfernt wird. Anders als bei der brusterhaltenden Therapie bei Frauen lässt sich die Entfernung der gesamten Brust bei Männern häufig nicht vermeiden.

Im Dezember 2019 begann er dann mit einer Chemotherapie. Bereits an Heiligabend machte er eine traurige Entdeckung: „Ich wachte an dem Tag auf, ging ins Badezimmer und berührte einfach meinen Oberkopf, woraufhin dort meine ganzen Haare ausfielen“, berichtet er. Aus Angst, dass er seinen Enkelkindern verschrecken könne, beschloss er, seine Haare ganz abzurasieren und darüber zu spaßen. Seinen Enkeln erzählte er, dass er einfach „einen dummen Fehler“ gemacht habe. Innerlich sei ihm jedoch gar nicht zum Lachen zumute gewesen. „Es war ziemlich dramatisch, dass es am Tag aller Tage passierte“, rekapituliert der Brite.

Tatsächlich war er nicht der Einzige in der Familie, der zu dem Zeitpunkt mit einer Krebserkrankung kämpfte. Auch bei seiner Schwägerin war eine Form von Lungenkrebs festgestellt worden. „Also hatten die meisten von uns an Weihnachten keine Haare“, sagt McCallion.

Brustkrebspatient musste sich beide Brüste abnehmen lassen

Die weitere Behandlung seiner Krebserkrankung verlief stockend: Wegen der langsam auch in Europa ausbrechenden Corona-Pandemie fiel seine abschließende Chemotherapie aus, bis Juni 2020 wartete er auf seine Strahlentherapie – die schließlich anschlug. Der Krebs schrumpfte zunehmend, bis nichts mehr von ihm übrig blieb. Sicherheitshalber ließ sich McCallion nach einem Gentest, der ein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf Grund eines veränderten Gens ergab, im Jahr 2022 auch die linke Brust abnehmen.

Nach Corona-Erkrankung erhielt Brite erneut tragische Diagnose

Für ein Jahr lief sein Leben „wie geschmiert“, berichtet der Krebspatient. Doch leider ist der Sieg über den Brustkrebs nicht das Ende seiner Krankheitsgeschichte. Im Dezember 2023 erkrankte McCallion an Covid-19, wovon er sich binnen eines Monats erholte. Die Atemnot blieb jedoch.

Nachdem er vergeblich versuchte, deswegen einen Arzttermin zu bekommen, sprach er bei einem Routine-Termin schließlich eine Krankenschwester darauf an. Am selben Nachmittag wurde er zu einer Röntgenuntersuchung geschickt. Dort stellten die Ärzte zwei verdächtige Wucherungen in seiner rechten Lunge und zwei kleine in seiner linken Lunge fest. Weitergehende Untersuchungen zeigten schließlich, dass es sich dabei um Metastasen handelte. Das Mammakarzinom hatte in die Lunge gestreut, McCallion litt an sekundärem Brustkrebs.

„Während des Junggesellenabschieds meines Sohnes wusste ich, dass ich Krebs im vierten Stadium habe“

Schon kurz vor seiner Diagnose hatte der 59-Jährige eine Vorahnung gehabt – ausgerechnet an dem Tag, der freudig und unbeschwert sein sollte. „Ich wusste, während wir auf dem Junggesellenabschied meines jüngsten Sohnes waren, dass ich Krebs im vierten Stadium habe“, sagt McCallion über den bedrückenden Moment. „Ich konnte meiner Familie nichts sagen.“

Mit der schlimmen Botschaft hält er sich zurück, bis sein Sohn von seinen Flitterwochen zurückkehrt. Danach, im Juli 2023, begann er schließlich mit einer CAR-T-Zellentherapie, bei der weiße Blutkörperchen, die im Labor genetisch verändert wurden, Krebszellen gezielt angreifen und vernichten sollen. Zudem erhielt der Ex-Sozialarbeiter eine Hormonbehandlung. Bis heute kämpft er gegen den metastasierten Krebs.

Freunde und Bekannte wandten sich von McCallion ab

Trotzdem oder gerade deswegen setzt sich der Brite für die Aufklärung über Brustkrebs bei Männern ein, der für viele noch unbekanntes Terrain ist – oder sogar Tabu-Thema. Während er von seiner Frau Julie und seiner Familie stets unterstützt wurde, hätten sich einige seiner Freunde und Bekannten wegen der Krebsdiagnose von ihm abgewendet.

„Leute, die ich seit 30 Jahren kenne, haben die Straßenseite gewechselt, um nicht mit mir reden zu müssen“, berichtet er. Seitdem McCallion 2019 von seiner Krankheit erfuhr, habe er nur noch wenig Kontakt zu einigen Freunden und Bekannten. Obwohl dies vermutlich eine verletzende Erfahrung gewesen ist, will sich der Brite darüber nicht den Kopf zerbrechen. „Diese Menschen hatten vermutlich nicht die Worte oder den Anstand, um darüber zu sprechen.“

„Hinterfragt und googelt nicht – geht sofort zum Arzt“

Auch ihm sei es zunächst schwergefallen, über seine Erkrankung zu sprechen. Da der überwiegende Teil der Brustkrebshilfe auf Frauen, die wesentlich häufiger betroffen sind, ausgerichtet sei, würden viele Männer „auf eine rosa Wand stoßen und abschalten“.

Das möchte der 59-Jährige verhindern. Indem er seine Geschichte öffentlich macht, will er das Bewusstsein für diese Krebserkrankung bei Männern steigern und Betroffenen dabei helfen, sich zu öffnen.

„Ich hasse den Gedanken, dass Männer, die die Diagnose Brustkrebs bekommen, einfach wieder ihr Hemd anziehen und es niemandem erzählen“, sagt McCallion. „Das wäre schrecklich. Durch all das zu gehen und nie wirklich darüber zu sprechen, außer mit der Familie. Ich finde es herzzerreißend.“

Außerdem rät er Personen, die gesundheitliche Veränderungen an sich feststellen, umgehend einen Arzt zu konsultieren. „Ich denke, die Botschaft an alle, männlich oder weiblich, ist, dass wenn du irgendeine Art der Veränderung an deinem Körper bemerkst, die nicht normal ist: Geht sofort zum Arzt. Hinterfragt es nicht oder googelt nicht.“

Ursachen und Risikofaktoren für Brustkrebs bei Männern

Welche Ursachen eine Brustkrebserkrankung bei Männern wie David McCallion hat, ist noch nicht völlig klar. Allerdings gibt es einige Risikofaktoren:

  • Genetische Veranlagung: Bestimmte Genmutationen, insbesondere in den Genen BRCA1 und BRCA2, erhöhen das Risiko. Diese Gene sind auch mit anderen Krebsarten wie Prostatakrebs verbunden. Auch wenn Brustkrebs in der Familie vorkommt, insbesondere bei sowohl männlichen als auch weiblichen Verwandten, könnte die Gefahr erhöht sein. In solchen Fällen könnte ein Gentest und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll sein.
  • Klinefelter-Syndrom: Eine angeborene Störung, bei der Männer ein oder mehrere zusätzliche X-Chromosomen haben, erhöht das Brustkrebsrisiko um das 20- bis 60-fache.
  • Veränderungen im Hormonhaushalt: Eine gesteigerte Östrogenproduktion beim Mann, etwa durch Übergewicht (Fettgewebe kann Hormone produzieren), oder ein niedriger Testosteronspiegel, z.B. wegen einer Leberzirrhose oder Hodenhochstand bzw.- entzündungen, kann den Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht bringen. Zudem können anabole Steroide das Brustkrebsrisiko erhöhen, da die Steroide im Körper möglicherweise in Östrogene umgewandelt werden.

Symptome

Häufig äußert sich Brustkrebs bei Männern durch eine einseitige und schmerzlose Verhärtung in der Brust zwischen Brustwarze und Achselhöhle. Darüber hinaus sind folgende Symptome typisch:

  • Einziehungen der Haut oder Brustwarze
  • Ausfluss aus der Brustdrüse oder entzündliche Veränderungen
  • Wunden im Brustbereich, die nicht heilen
  • Vergrößerte oder verhärtete Lymphknoten in der Achsel

Untersuchung und Diagnoseprozess

Je früher der Krebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Deshalb sollten Sie bei Verdacht sofort einen Arzt aufsuchen, der die entsprechenden Untersuchungen einleiten wird:

  • Anamnese: Der Arzt wird Sie zu Ihrer Krankengeschichte und Ihren Symptomen befragen.
  • Körperliche Untersuchung: Hierbei werden die Brust und die Lymphknoten abgetastet.
  • Bildgebung: Es werden bildgebende Verfahren wie Mammografie (Röntgen der Brust) und Ultraschall eingesetzt.
  • Kernspintomografie: Ein MRT kann ebenfalls hilfreich sein, besonders wenn der Krebs tief im Brustgewebe verankert ist.

Behandlungen und Therapieformen

  • Chemo-Therapie: Nach einer Operation zur Entfernung von Brustkrebs kann Ihnen Ihr Arzt eine Chemo-Therapie empfehlen. Bei einem größeren Tumor werden manchmal diese Medikamente (genannt Chemo-Therapeutika) schon vor der Operation verabreicht, um den Tumor zu verkleinern.
  • Antikörper-Therapie: Manchmal zeigt sich, dass der Brustkrebs bei Männern eine hohe Anzahl von sogenannten HER2/neu-Rezeptoren (Andockstellen für Wachstumsfaktoren) aufweist. Wenn das der Fall ist, könnte eine Behandlung mit spezialisierten Antikörpern, wie Trastuzumab, eine Option sein. Diese Behandlungsart hat bei Frauen gute Ergebnisse gezeigt. Allerdings gibt es noch keine endgültigen Beweise für die Wirksamkeit bei Männern, aber die Forschung geht weiter.

Prävention von Brustkrebs

Sie fragen sich vielleicht: „Kann ich Brustkrebs verhindern?“ Bei einigen Männern liegt die Ursache des Brustkrebses in ihren Genen, und das ist nicht vermeidbar. In solchen Fällen sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfehlenswert. Aber es gibt auch Faktoren, die Sie beeinflussen können:

  • Bewegung: Ein aktiver Lebensstil hat viele Vorteile. Regelmäßige körperliche Betätigung hilft, das Risiko vieler Krankheiten, einschließlich Brustkrebs, zu reduzieren.
  • Ernährung: Ein ausgewogener Speiseplan mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. aus Fisch oder Pflanzenölen) und viel Obst und Gemüse ist empfehlenswert. Versuchen Sie, den Verzehr von fetthaltigen Wurstwaren, Butter und Fleisch zu begrenzen.
  • Nichtraucher bleiben: Tabakkonsum erhöht das Risiko für verschiedene Krankheiten.
  • Maßvoller Alkoholkonsum: Wenn Sie Alkohol trinken, dann nur in Maßen oder überhaupt nicht.





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