Es sind schreckliche Bilder, die viele Passanten wohl so schnell nicht wieder vergessen werden. In der Nähe des Potsdamer Platzes mitten in Berlin kniet ein Polizist auf der Fahrbahn neben einem umgekippten Kinderwagen. Nicht weit entfernt stehen Autowracks – das eine schräg auf der Straße mit komplett zerstörter Front, das andere mit kaum noch erkennbarem Heckteil. 

Bei einem schweren Verkehrsunfall in einer Tempo-30-Zone erfasste nach Angaben der Berliner Polizei am Samstag ein 83-jähriger Autofahrer eine 41-Jährige und ihren vierjährigen Sohn im Kinderwagen. Die Mutter starb kurz darauf im Krankenhaus, das Kind nach einer Notoperation noch am selben Abend. Zwei Angehörige wurden Zeugen des Unglücks.

Der Lebensgefährte und die Schwester der Frau kamen nach Angaben einer Polizeisprecherin mit einem Schock ins Krankenhaus und wurden dort ambulant behandelt. Alle vier stammen aus Belgien und waren als Touristen in Berlin. 

Wie die Polizei am Sonntag unter Berufung auf Zeugen mitteilte, war der 83-jährige Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Leipziger Straße unterwegs. Als er sich verkehrsbedingt wartenden Fahrzeugen näherte, soll er nach ersten Erkenntnissen der Polizei verkehrswidrig den rechten Radfahrschutzstreifen genutzt haben, um an dem Stau vorbeizufahren. In diesem Moment hätten die 41-jährige Fußgängerin und ihr vierjähriger Sohn die Fahrbahn überqueren wollen.

Feuerwehr reanimiert die Frau und ihr Kind

Die beiden seien von dem Wagen frontal erfasst worden. Anschließend sei der Unfallfahrer auf ein weiteres Fahrzeug geprallt, das wiederum auf einen an der roten Ampel wartenden Wagen auffuhr. Dabei wurde nach Angaben der Berliner Feuerwehr einer der Fahrer schwer verletzt und kam ebenfalls ins Krankenhaus. Rettungskräfte hätten versucht, Mutter und Kind noch am Unfallort wiederzubeleben. Auf dem Weg ins Krankenhaus seien sie anschließend weiter reanimiert worden, so die Feuerwehr.

Der 83-jährige Unfallfahrer kam der Polizei zufolge ebenfalls ins Krankenhaus. Nach ambulanter Behandlung wurde er aber wieder entlassen. Eine freiwillige Atemalkoholmessung habe einen Wert von 0,0 Promille ergeben. Der Führerschein des Mannes wurde eingezogen, das Unfallfahrzeug sichergestellt.

Weil sich die Unfallstelle in einem stark frequentierten Bereich Berlins befindet, wurden zahlreiche Passanten Zeugen des Unfalls. Sie standen deutlich unter dem Eindruck des Geschehens. Rettungskräfte und Seelsorger betreuten sie am Unfallort. Nach Angaben der Polizei dauern die Ermittlungen zur genauen Unfallursache noch an.

Teilnehmer einer Mahnwache legen Blumen am Unfallort nieder

Teilnehmer einer Mahnwache forderten am späten Sonntagnachmittag Konsequenzen. Sie versammelten sich am Unfallort vor einer Shopping Mall gegenüber des Bundesrats.  Zu der Veranstaltung aufgerufen hatten unter anderem der Verkehrsclub Deutschland Berlin und der Verein Fuss e.V., der sich für die Rechte von Fußgängern im Straßenverkehr engagiert. 

Dessen Sprecher Roland Stimpel kritisierte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU): «Sie haben angekündigt, dass Sie hier auf diesem Stück Straße sowie an 29 anderen Hauptstraßen das aktuelle Tempolimit wieder von 30 auf 50 hochsetzen wollen», sagte er und forderte sie auf, die Pläne aufzugeben. «Spätestens seit gestern sollten Ihnen die Augen geöffnet sein.» An die beiden Toten erinnern weiße Silhouetten, die neben der Straße angebracht wurden. Teilnehmer der Mahnwache legten davor Blumen nieder und zündeten Kerzen an. 

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