In den USA heißen sie schon „Zombie Offices“. Büros ohne Leben. Früher waren es Orte des Austauschs. Hier wurde besprochen, gestritten, gehandelt. Es gab Meetings, Kaffeepausen und Geburtstagsfeiern. Mittlerweile ist Stille eingekehrt in vielen Metropolen der USA. Die Räume sind verwaist, die Unternehmen abgezogen. Das „New York Magazine“ prognostizierte dem Geschäftsmekka Manhattan sogar schon eine „Office Apokalypse“.
In Großstädten wie Chicago, San Francisco und Los Angeles liegen die Leerstandsquoten mittlerweile bei über 2 Prozent. Die Konsequenzen sind schwerwiegend: Gewerbeimmobilien verlieren drastisch an Wert, die ersten Banken geraten in Schieflage. Erinnerungen an das Finanzbeben von 2008 werden wach – auch hierzulande.
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So sprach die Deutsche Pfandbriefbank (Pbb), die wegen ihres großen US-Geschäfts selbst als belastet gilt, bereits von der „größten Immobilienkrise seit der Finanzkrise“. Wie konnte es so weit kommen? Und wie stark ist auch Deutschland bedroht von Zombie-Büros?
So kam es zum Absturz
Angefangen hat es mit der Corona-Pandemie. In Zeiten von Ansteckungsgefahren und Abstandsgeboten setzte sich das Homeoffice bei Unternehmen weltweit durch. Der Trend hält bis heute an. Noch verbreiteter als in Deutschland ist die Arbeit von zu Hause in den USA. Dort sind die Menschen stärker aufs Auto angewiesen und müssen weiter pendeln. Und obwohl selbst Techkonzerne wie Meta oder Google ihre Beschäftigten per Vorschrift zurückholen wollen – in absehbarer Zeit wird das Büro keine echte Wiederbelebung erfahren.
Viele Arbeitgeber ziehen daraus Konsequenzen. Sie verkleinern ihre Büroflächen oder setzen ganz auf Remote-Arbeit. Nachmieter finden sich nur schwer. Für Eigentümer hat das gefährliche Folgen. Ihnen fehlen Mieteinnahmen, mit denen sie ihre Kredite bezahlen können.
Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Notenbank den Leitzins innerhalb kurzer Zeit stark angezogen hat, um die Inflation zu bekämpfen. Im Mai 2022 lag er noch bei einem Prozent. Seit März 2023 hält sich der Zinssatz konstant bei über fünf Prozent. Refinanzierungen sind damit deutlich teurer geworden.
Amerikanische Gewerbeimmobilien werden zu 75 Prozent von US-Banken finanziert. Sie spüren die Auswirkungen der Büro-Flaute besonders stark. Etwa die Regionalbank New York Community Bancorp (NYCB). Das Institut vermeldete kürzlich deutliche Quartalsverluste – zurückzuführen auf Rückstellungen für ausfallgefährdete Gewerbeimmobilien-Kredite. Daraufhin fiel die Aktie erst recht. Auf den tiefsten Stand seit 27 Jahren.
Die Krise ist auch in Deutschland angekommen
Die Krise ist auch in hiesigen Geldhäusern angekommen. Institute wie die Deutsche Bank, die Aareal Bank oder die in Italien beheimatete Unicredit sind auch auf dem US-Markt aktiv. Besonders unter Druck steht jedoch die Münchner Pbb. 16 Prozent ihres Portfolios entfallen auf US-Gewerbeimmobilien. Nach eigenen Angaben sind das 4,9 Milliarden Euro an Krediten. Das Geldhaus musste seine Risikovorsorge deshalb im dritten und vierten Quartal deutlich erhöhen. Danach brach auch bei ihr der Aktienkurs innerhalb von einer Woche um mehr als 20 Prozent ein.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte Pbb aufgrund der risikoreichen Investments von der Note BBB auf BBB– herab, das schlechtestmögliche Rating, das gerade noch im anlagewürdigen Bereich liegt. Ein Schicksal, das auch andere hiesige Institute treffen könnte? Michael Voigtländer gibt Entwarnung. Der Ökonom vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärt: „Die Deutsche Pfandbriefbank hat besonders stark in den US-amerikanischen Gewerbeimmobilien-Markt investiert. Die meisten Banken haben aber ein differenzierteres Portfolio.“ Die Krise treffe sie also nur punktuell in einem Maße, das sie abfedern könnten.
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Die deutsche Finanzaufsicht Bafin behält die Situation indes scharf im Blick. Bereits im Januar warnte die Behörde vor dem Preisverfall bei Gewerbeimmobilien. In dem Bericht „Risiken im Fokus 2024“ heißt es: „Stark spezialisierte Geschäftsmodelle oder eine schlechte Auswahl von Objekten durch die Banken könnten sogar einzelne Institute in Schwierigkeiten bringen.“
Währenddessen zeichnen sich am deutschen Büromarkt bereits ähnliche Entwicklungen ab wie in den USA. Auch hier ist der Leerstand seit Corona deutlich gestiegen. Insgesamt bleibt die Quote bislang aber auf niedrigerem Niveau. In den sieben größten Bürovermietungsmärkten Deutschlands liegt sie bei durchschnittlich 6,1 Prozent.
Allein in Frankfurt am Main stehen mehr als eine Million Quadratmeter Büros leer
Schon zuvor gab es im direkten Vergleich eine geringere Überkapazität. Das liegt auch daran, dass weniger gebaut wurde. „Insofern ist das restriktive Baurecht hier sogar ein stabilisierender Faktor im Büroimmobilienmarkt“, schlussfolgert Voigtländer. Auch die steigende Erwerbstätigenzahl sieht er als positiven Einflussfaktor. Mehr Beschäftigte bedeuten schließlich auch mehr Büronutzung. Denn auch wenn viele ein bis vier Tage von zu Hause arbeiten: Unternehmen brauchen die Flächen trotzdem.
Aber auch wenn die Lage weniger dramatisch ist als in den USA: Die Zahlen sind eindeutig. Fürs laufende Jahr wird in den Top-7-Metropolen insgesamt mit einem Umschlag von 2,4 Millionen Quadratmeter Fläche gerechnet – das schwächste Ergebnis in zehn Jahren. Allein in Frankfurt am Main stehen mehr als eine Million Quadratmeter Büros leer. „Besonders große Unternehmen wollen derzeit kaum langfristige Anmietentscheidungen treffen“, sagt Andreas Trumpp, Managing Director beim Immobilienberater Colliers. Das liege jedoch nicht nur am Homeoffice-Trend, sondern auch an der schwächelnden Wirtschaft.
Währenddessen häufen sich die Probleme auch am Investment-Markt. In einer aktuellen Meldung von Colliers heißt es: „Für den Zeitraum von 2024 bis 2030 prognostiziert Colliers eine Fremdkapitallücke von 25,3 Milliarden Euro zur Refinanzierung von Gewerbeimmobilien in Deutschland. Davon entfallen rund 70 Prozent auf Büroimmobilien.“ Der Verkaufsdruck am Markt nehme damit zu. Die Lücke fällt größer aus, als noch vergangenes Jahr prognostiziert. Das wiederum liegt am gestiegenen Leitzins, den die Europäische Zentralbank (EZB) auf mittlerweile 4,5 Prozent angehoben hat.
Trumpp sieht die Lage nicht nur negativ: „Vom Leerstand betroffen sind vor allem alte Bürogebäude in Randlagen.“ Anders sei das bei neuen Gebäuden in attraktiven Lagen, erst recht, wenn sie unter ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) gebaut wurden. Da sei die Nachfrage weiterhin sehr stark. Er glaubt außerdem: „Wir haben das Tal schon durchschritten.“ Die Zahl und das Volumen der Neugesuche seien etwas angestiegen im Vergleich zu den letzten Quartalen.
Zum großen Crash wird es wohl nicht kommen. Das prognostizieren beide Immobilien-Experten. „Im aktuellen Umfeld von einer Finanzkrise zu sprechen, halte ich für gefährlich und nicht zielführend“, sagt Trumpp.
Neue Ideen für alte Office-Areale
Überhaupt birgt die Situation auch das Potenzial für längst fällige Schritte. Denn während Bürogebäude nutzlos leer stehen, kämpft die Politik vergeblich gegen den deutschlandweiten Wohnungsmangel. 400.000 neue Wohnungen sollten pro Jahr gebaut werden – das hatte die Ampel-Koalition zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt. Bisher ist daraus nichts geworden. Erst kürzlich warnte der Rat der Immobilien-Weisen, realistisch sei nur noch der Bau von lediglich 150.000 Wohnungen. Freie Büroflächen könnten die Not zumindest lindern. Einfach ist jedoch auch das nicht.
Nur etwa zehn Prozent der Gebäude sind für den Umbau überhaupt geeignet. Die Projekte sind außerdem teuer – und lohnen sich deshalb nur an sehr hochpreisigen Standorten. Das wiederum erfüllt nicht den Bedarf nach günstigem Wohnraum. Und es ist dort oft schwer, Baugenehmigungen zu bekommen. „Ich hoffe, dass die Kommunen jetzt offener sind für solche Projekte“, sagt Ökonom Voigtländer. Letztlich sei es auch eine Frage der Kreativität, was mit den Büroflächen passiere. Ob Wohnungen, hippe New-Work-Räume oder gar Schulen – Möglichkeiten gibt es viele.
Auch in den USA möchte man die „Zombie Offices“ so wiederbeleben. Riskant ist vor allem eines: chronischer Leerstand.
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