Lauenburg/Elbe. Die Pflegekrise im Herzogtum Lauenburg geht in die nächste Runde: das Walter-Gerling-Haus in Lauenburg/Elbe schließt. Betroffen sind 39 Seniorinnen und Senioren in der stationären Pflege und 16, die in Seniorenwohnungen leben. Der Grund: Das Haus ist nach mehreren Wasserschäden sanierungsbedürftig, erklärt Franziska Brzezicha, Pressesprecherin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Schleswig-Holstein, die das Haus betreibt. „Wir sind von staatlichen Mitteln abhängig“, sagt Brzezicha. Zusätzliches Geld für eine Sanierung gebe es nicht, und die geschätzten 5,8 Millionen Euro könne die Awo nicht stemmen.

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In dem Komplex an der Berliner Straße sind ein stationärer Pflegeteil, Senioren-Mietwohnungen und eine Kindertagesstätte untergebracht. „Bei den Wasserschäden wurden nicht alle Kosten von der Versicherung übernommen“, erklärt Brzezicha. Laut der Pressesprecherin könne das Haus auch langfristig nicht weiter versichert werden.

Stationäre Pflege schließt Ende Juni

Weil nun weder Menschen in maroden Wohnungen leben sollten noch eine Sanierung machbar sei, werde das Walter-Gerling-Haus geschlossen – die stationäre Pflege zum 30. Juni, der Rest des Hauses bis Ende Dezember. Für die Gesamtsituation in der Pflege ein großer Verlust, sagt Cornelia Hagelstein, Leiterin des Pflegestützpunktes im Landkreis.

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Die Bewohner sollen vermittelt werden. „Dazu sind wir auch rechtlich verpflichtet“, sagt Brzezicha. Es gehe nicht darum, die Senioren schnell loszuwerden, sondern zu klären, welche Wünsche sie haben. „Zum Teil wohnen Angehörige in Niedersachsen und gucken dort nach Plätzen.“ Andere wollten im Umfeld bleiben. Dem Pflegestützpunkt habe die Awo früh Bescheid gegeben, erzählt Hagelstein. „Die Awo ist bemüht, für alle einen neuen Platz zu finden.“

Freie Plätze kommen in Wellen

Freie Plätze kommen laut Hagelstein oft in Wellen. Bei der Abfrage vor zwei Wochen sei kein einziger verfügbar gewesen. „Vergangene Woche waren es sieben Einrichtungen, die freie Plätze gemeldet haben.“ Angehörige, die nicht mobil sind und den Pflegebedürftigen gern in der Nähe haben, hätten es aber oft schwer.

Gerade in den sozialen Netzwerken war das Thema Walter-Gerling-Haus viel geteilt worden. „Zum Kotzen, wenn die Senioren ihr familiäres, letztes Zuhause verlieren“, schrieb etwa eine Frau. „Wir können den Frust gut verstehen. Wir hätten die Menschen ja auch gern behalten“, sagt Awo-Sprecherin Brzezicha. Das Problem sei das System. „Wenn selbst große Betreiber wie wir solche Häuser nicht halten können, wie sollen es kleinere schaffen?“

Keinen Profit mit Menschen

Die Ursache des Problems liegt für sie im Jahr 1995, als die Pflegeversicherung eingeführt wurde. „Seitdem ist die Pflege ein Produkt und wir sind nichts weiter als Verkäufer. Dabei wollen wir keinen Profit mit Menschen machen“, sagt Brzezicha. Genau das sei aber gefordert. Wenn sich nichts ändert, seien weitere Häuser des Awo-Landesverbands gefährdet. Konkrete Ort nannte Brzezicha nicht.

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Immer wieder müssen Pflegeheime schließen, oft wegen der Insolvenz der Betreiberfirma, wie die Aquis-Care-Gruppe vergangenes Jahr. Hagelstein bestätigt, dass viele Pflegeheime über finanzielle Probleme klagen, vor allem, weil wegen des Personalmangels oft auf deutlich teurere Zeitarbeiter zurückgegriffen werden müsse.

Die Arbeiterwohlfahrt stehe in Kontakt mit der Politik, berichtet die Pressesprecherin. Das Haus in Lauenburg sei ein Symptom für ein größeres Problem. Deshalb haben die Awo und der Paritätische in Schleswig-Holstein einen Systemwechsel gefordert. Am 22. Mai wollen sie gemeinsam mit weiteren Verbänden wie Arbeiter-Samariter-Bund und Caritas in Kiel demonstrieren: für weniger Bürokratie, Bezirkssozialarbeiter nach dänischem Modell und langfristige Finanzierungen.

LN



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