München – Seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen nach einem Holsystem zur Sammlung von Verpackungsmüll. Andere Städte haben ein solches System schon lange eingeführt, München hält dagegen immer noch an den Wertstoffinseln fest.

Vor kurzem startete immerhin ein Pilotversuch, bei dem analysiert werden soll, ob Gelber Sack, Gelbe Tonne oder Wertstofftonne in München Sinn machen. Doch ist ein solcher Versuch überhaupt nötig? Und welches gelbe System empfehlen Fachleute? Die AZ hat darüber mit Rüdiger Weiß gesprochen, Experte für Entsorgungswirtschaft.

Rüdiger Weiß (53) ist Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen, der die mittelständisch geprägte private Entsorgungswirtschaft in Bayern vertritt.
Rüdiger Weiß (53) ist Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen, der die mittelständisch geprägte private Entsorgungswirtschaft in Bayern vertritt.
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Rüdiger Weiß (53) ist Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen, der die mittelständisch geprägte private Entsorgungswirtschaft in Bayern vertritt.

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AZ: München ist eine der wenigen deutschen Städte, in denen die Menschen ihren Verpackungsmüll noch zu Wertstoffinseln bringen müssen. Ist so ein System noch zeitgemäß?
Rüdiger Weiß: Nein. Man muss sagen: München geht da einen absolut eigenen Weg, der Seltenheitswert aufweist. Es ist eine Eigentümlichkeit. Ich verstehe nicht, warum man so hartnäckig über Jahrzehnte an diesem System festhält.

Was spricht denn Kritikern zufolge gegen ein Holsystem?
Es werden immer wieder die gleichen Argumente von Gegnern vorgebracht: Es gibt keinen Platz am Haus, es gibt zusätzlichen Verkehr bei der Abholung. Das sind Argumente, die einen zum Teil auch ärgern.

Vielen ist der Aufwand zu groß, zu den Wertstoffinseln zu gehen, sagt Rüdiger Weiß.
Vielen ist der Aufwand zu groß, zu den Wertstoffinseln zu gehen, sagt Rüdiger Weiß.
© Daniel von Loeper
Vielen ist der Aufwand zu groß, zu den Wertstoffinseln zu gehen, sagt Rüdiger Weiß.

von Daniel von Loeper

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Zu viel Abholverkehr? Fahrzeuge der Stadt München werden immer sauberer

Weil nichts dran ist? Verkehr entsteht doch auch, wenn die Menschen ihren Müll einzeln zu den Wertstoffinseln fahren.
Natürlich entsteht auch durch die Inseln Verkehr. Das ist auch eine etwas statische Betrachtungsweise, weil die Branche angefangen hat, umzustellen auf klimaneutrale Antriebe. Das steht zwar noch am Anfang, wird aber von Jahr zu Jahr mehr. Der Verkehr wird über die nächsten Jahre betrachtet sauberer.

Mit nur 6,5 Kilo gesammeltem Verpackungsmüll pro Person und Jahr ist man hier deutschlandweit Schlusslicht. Kann ein Holsystem das ändern?
Auf jeden Fall. Die Erfahrung lehrt, dass man es den Bürgern möglichst einfach machen muss. Und einfach mache ich es ihnen, indem ich es haushaltsnah mache und den Behälter direkt vor die Haustür stelle. Das hat eine andere Akzeptanz als ein System, bei dem ich möglicherweise etliche 100 Meter gehen muss. Das ist vielen ein zu großer Aufwand, da werfen viele den Verpackungsmüll einfach in die Restmülltonne. Damit landet er in der Müllverbrennungsanlage. Wenn ich ihn direkt am Haushalt erfasse, bekomme ich ganz andere Mengen. Die Zustände rund um diese Inseln sind auch nicht so einladend, vielleicht haben viele auch keine Lust, sich da hinzustellen.

Bei all den Vorteilen eines Holsystems: Macht ein dreijähriger Pilotversuch in fünf Stadtgebieten überhaupt noch Sinn oder könnte man die Einführung in München beschleunigen?
Es gibt aus meiner Sicht wenig Gründe, warum man einen dreijährigen Pilotversuch macht. Man kann ja auch nicht sagen, dass München sich städtebaulich gravierend von anderen Städten in Deutschland unterscheidet. Es ist dasselbe wie in allen anderen vergleichbaren Großstädten. Daher halte ich das für unnötig. Es gibt ja genügend Erfahrungswerte. Man weiß: Wo liegen die Stärken und Schwächen des Gelben Sacks, der Gelben Tonne oder auch der Wertstofftonne? Man verliert durch den Versuch drei Jahre.

Gelbe Säcke reißen gerne auf und verteilen ihren Inhalt

Warum steigen immer mehr Städte vom Gelben Sack um auf eine Lösung mit Tonne?
Der Gelbe Sack hat Vorteile, aber natürlich auch Nachteile. Wenn er draußen steht, zieht er Nagetiere an, die das riechen und die Säcke aufbeißen. An einem stürmischen Tag fegt der Wind ordentlich durch die Straße: Die Säcke sind ja so leicht und fliegen dann mal eben durch die Gegend, reißen auf und verteilen ihren Inhalt über die Straße.

Was spricht dann für den Gelben Sack?
Die soziale Kontrolle ist sehr hoch. Da möchte man möglicherweise vor den Nachbarn nicht blöd dastehen, indem man falsche Sachen hineinwirft. Deshalb ist der Fremdstoffanteil im Gelben Sack geringer als bei allen anderen Erfassungssystemen.

Wie unterscheidet sich die Wertstofftonne von der Gelben Tonne?
In die Gelbe Tonne kommen ausschließlich Verpackungen, die Wertstofftonne wird erweitert um sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen. Da kann beispielsweise eine Bratpfanne oder ein Plastikeimer und Ähnliches mitentsorgt werden.

Welche Vor- und Nachteile haben die beiden Tonnen?
Der wesentliche Vorteil der Wertstofftonne ist, dass zusätzliches Material über ein haushaltsnahes System erfasst wird. Damit hat man eine höhere Erfassungsmenge, die in eine Sortieranlage geht und verwertbar ist. Wenn man es ernst meint mit weiteren Fortschritten in Richtung Kreislaufwirtschaft, ist das ein interessanter Ansatz. Aber je nachdem, was in die Wertstofftonne mit einbezogen wird, ist damit ein gewisser größerer Aufwand hinterher in der Sortieranlage verbunden. Das kann zu einer leichten Erhöhung der Kosten führen.

Wertstofftonnen sind besonders umweltfreundlich

Welches System würden Sie für München empfehlen?
Der Trend geht weg vom Gelben Sack. Es gibt die Vorbehalte in München, es gebe keinen Platz für eine weitere Tonne am Haus. Aber was unterscheidet München von anderen Kommunen? Ich meine, dass eine Tonne am Haus auf jeden Fall Sinn macht. Ob es die Wertstofftonne oder die Gelbe Tonne ist, ist eine politische Frage. Wenn man wirklich einen Schritt weiter gehen will, wäre die Wertstofftonne ein besonders fortschrittliches, umweltfreundliches System.

Sind Sie zuversichtlich, dass sie nach dem Pilotversuch eingeführt wird?
Das wird letztendlich vom Stadtrat entschieden. Das Ganze wird aber von neutraler Seite fachlich ausgewertet und ich bin überzeugt, dass nach drei Jahren das gleiche Ergebnis wie bei anderen Studien aus der Vergangenheit herauskommen wird: dass ein sich ein haushaltsnahes System bewähren würde. Dann wird es schwer für diejenigen, die am bestehenden System festhalten wollen. Ich bin also optimistisch.





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