Inmitten einer Eskalation der Gewalt in Haiti haben mutmaßliche Bandenmitglieder den wichtigsten internationalen
Flughafen des Landes einzunehmen versucht und sich Feuergefechte mit
Polizisten und Soldaten geliefert. Auf der Rollbahn des Aéroport Toussaint Louverture
nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince wurden aus einem gepanzerten Fahrzeug Schüsse auf die Angreifer abgegeben, um sie an der
Erstürmung des Geländes zu hindern, wie Reporter der Nachrichtenagentur AP
beobachteten. Die Eindringlinge feuerten zurück.
Zahlreiche Flughafenangestellte flüchteten.

Zum
Zeitpunkt des Angriffs war der Flughafen geschlossen, es herrschte also
kein Flugverkehr, Passagiere waren nicht am Ort. Beobachter sprachen
von der bislang größten Attacke auf den Flughafen in der Geschichte des
Landes. Erst vergangene Woche war der Flughafen bei anhaltenden Angriffen
von Gangs kurzzeitig beschossen worden, doch hatte es noch keine
Versuche gegeben, die Kontrolle über das Gelände zu erlangen.

Regierung ruft Ausnahmezustand aus

Stunden
vor den Feuergefechten am Flughafen hatten die Behörden einen mindestens dreitägigen
Ausnahmezustand
ausgerufen. Die öffentliche Verwaltung, der Handel, die
Industrie und die Schulen würden in dieser Zeit funktionsfähig bleiben,
teilte die Regierung mit und fügte hinzu, dass der
Ausnahmezustand im gesamten Département West, zu dem die
Landeshauptstadt gehört, gelten und verlängert werden könne. 

Zusätzlich
werde bis Mittwoch in der Zeit von 18.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr morgens
eine Ausgangssperre verhängt. Die Regierung habe den Schritt “in Anbetracht der Angriffe
bewaffneter Banden auf die beiden größten Strafvollzugsanstalten des
Landes” getan. Angriffe bewaffneter Banden auf die zwei größten
Gefängnisse Haitis hatten am Sonntag laut Angaben der Regierung “zu Toten und Verletzten bei der Polizei und beim
Gefängnispersonal, zur Flucht gefährlicher Gefangener und zur Verwüstung
der Einrichtungen geführt”.

Seit der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 hat sich die Sicherheitslage in dem Karibikland dramatisch
verschlechtert. Brutal agierende Banden kontrollieren nach UN-Schätzung
rund 80 Prozent von Port-au-Prince
und weiten ihr Einflussgebiet zunehmend auch auf andere Teile des Landes aus. Wahlen gab es seitdem keine, das Land hat weder einen Präsidenten noch
ein Parlament. Zuletzt gab es heftige Proteste gegen den
Interimsregierungschef Ariel Henry.



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