Caren Miosga ist abhängig. Mit dem Sendekonzept ihres ARD-Talks bringt sie sich in Abhängigkeit von ihrem Gesprächspartner. Sie wagt sich daran, ein ausführliches Zwiegespräch mit einem einzigen Politiker zu führen. 23 Minuten widmet sie diesen Sonntag dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder.
Eine Woche zuvor war sie mit Bodo Ramelow, dem Thüringer Ministerpräsidenten, gnadenlos gescheitert. Nun also der nächste Versuch mit dem Bayern. Und, ganz klar: Söder liefert. Für Unterhaltungswert ist der 57-Jährige immer zu haben. Söder ist in Hochform. Aber ist er auch überzeugend?
Populismus? „Südliches Temperament!“
Wer die Bayern verstehen will, konnte diese Woche viel lernen beim Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg. Dort wird gehaltvolles Bier aus- und den Politikern massiv eingeschenkt. Die so genannte Fastenpredigt hat versucht, der biertrinkenden Politik-Prominenz ins Gewissen zu reden: Politik statt Populismus.
Auch Miosga hält Söder Äußerungen der vergangenen Wochen vor. „Was unterscheidet meinen Hund Molly von den Grünen Kevin Kühnert und Ricarda Lang? Mein Hund hat eine abgeschlossene Ausbildung“, war der eine Satz. Der zweite: „Die Grünen machen so viel Mist, eigentlich müssten sie selber unter die Düngeverordnung fallen.“
Populismus also statt Politik? Söder wischt alle Vorwürfe zur Seite. Für ihn ist das schlicht: „südliches Temperament“. Die zweite Frau in der Runde will ihm das nicht so einfach durchgehen lassen. „Wir haben ständigen politischen Aschermittwoch“, kritisiert die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach.
Angela Merkel und ihre „Konfuzius-SMS“
Mit seinem südlichen Talent ist er auf dem Weg zur Kanzlerschaft gescheitert. „Ich habe gelernt“, sagt Söder, „die CDU will einfach keinen Bayern als Bundeskanzler.“ Da fragt Miosga nach dem nächsten Kanzler. Wird also Friedrich Merz, eigentlich gesetzt als CDU-Vorsitzender, der kommende Kandidat? „In der CDU gibt ja auch noch andere, die wollen“, stichelt Söder, „sollte die Koalition bis zum Ende halten, dann ist das eine sehr, sehr lange Zeit…“
Die Spitze platziert der CSU-Vorsitzende mit Liebe: „Merz schaut bestimmt auch zu, liebe Grüße!“ Einen Spitzenkandidaten will Söder also noch längst nicht ausloben. Lieber lobt er die CDU-Dauerkanzlerin. Sie sei ihm eine verlässliche Partnerin in der Corona-Krise gewesen, für ihn die härteste Herausforderung. Und dann betont er noch einmal die Verbundenheit, bei nächtlichen Digital-Dialogen: „Angela Merkel hat immer so Konfuzius-SMS zurückgeschrieben.“
Wachstumschancengesetz? „Micky-Maus-Lösung!“
Und die aktuelle Politik? „Einen Kuhhandel mit Agrar-Diesel“, wirft Caren Miosga dem bayerischen Ministerpräsidenten vor, 18 Wirtschaftsverbände seien für das Wachstumschancengesetz: „Ihre Kundschaft“. Trotzdem blockiere die Union im Bundesrat. Was sagt Söder? „Dieses Gesetz ist eine einzige Enttäuschung“, legt er sich fest – und legt nach: „Das ist eine Micky-Maus-Lösung.“
Da meldet sich die dritte Frau gegen Söder zu Wort, „Zeit“-Journalistin Mariam Lau. „Die Vorstellung herrscht, wir müssen uns mit allem, was wir haben, hinter die Forderungen der Bauern werfen.“ Da schmunzelt Söder nur. Lau legt nach: „Der Protest ist den Bauernverbänden doch längst entglitten.“ Da zweifelt Söder schnell an, ob sie den Bauernprotest in Bayern präzise genug beobachtet hat.
„Kann sein, dass ich nächste Woche wieder da bin!“
Für den Unterhaltungswert des ARD-Sonntagstalks ist Markus Söder der Hauptgewinn. Cannabis-Diskussion? Söder rät: „Wer ein totaler Kiffer-Fan ist – nach Berlin, nicht nach Bayern!“ Gibt sich der CSU-Ministerpräsident, der Bäume umarmt, als grüner Landesvater? „Ich hab‘ ja nicht Anton Hofreiter umarmt.“ Die europäische Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich? Hat sich geändert mit Scholz und Macron: „Die beiden könnten auch ,Ehen vor Gericht‘ machen.“
Ganz nebenbei kann Markus Söder auch Selbstironie. Wie war das vor seiner ersten Landtagswahl? „Ich war jung, dynamisch – habe zumindest versucht, den Eindruck zu erwecken.“ Und Emotion bringt er auch noch mit in die Sendung. 27 war er erst, als seine Mutter verstarb. 35 beim Tod seines Vaters. Und so liefert Markus Söder auch noch Gefühliges: „Ich hätte gerne einmal auf den Ratschlag meines Vaters oder meiner Mutter gehört.“
Wie antwortet der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident auf die Frage, ob er etwas ausschließen könne: „Ich kann nichts ausschließen. Es kann sein, dass ich nächste Woche wieder in dieser Sendung bin. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß.“ Das wird dann wohl auch Gastgeberin Caren Miosga nach diesem Fernsehabend bedauert haben.