Nach der Abhöraffäre bei der Bundeswehr üben Politiker aus FDP, Linken und der Union Kritik an den Kommunikationswegen innerhalb staatlicher Behörden.

Mit Blick auf die von Russland abgehörten Telefonate kritisierte FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle, dass auch zwei Jahre nach der russischen Invasion der Ukraine “bestimmte staatliche Strukturen in Deutschland nicht hinreichend auf die Sicherheitslage eingestellt zu sein” scheinen. Er forderte eine “Generalrevision der gesamten internen Infrastruktur zur internen Kommunikation sicherheitsrelevanter Stellen in Deutschland”.

In den Reihen der CSU nahm Verteidigungsexperte Florian Hahn den Inhalt des abgehörten Gesprächs zum Anlass, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu kritisieren. Pistorius habe sich offenbar erstmals am 26. Februar über die Einsatzmöglichkeiten von Taurus-Marschflugkörpern unterrichten lassen, dabei laufe die Debatte bereits seit einem halben Jahr, sagte Hahn der Augsburger Allgemeinen. Es stelle sich “unmittelbar die Frage nach den Standards, der Ausrüstung und der Weisungslage im Ministerium”. Die Union hatte zuvor verschärfte Sicherheitsvorschriften für die interne Kommunikation gefordert.

Die Parteichefin der Linken, Janine Wissler, sieht in der Affäre einen weiteren Grund, den Marschflugkörper nicht an die Ukraine zu liefern. “Inhaltlich zeigen die Gespräche noch einmal sehr deutlich, dass die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern brandgefährlich wäre”, sagte Wissler dem Spiegel. Mögliche Angriffe “bis nach Moskau” könnten “eine beispiellose Eskalationsspirale auslösen.”

Wissler forderte zudem die Aufklärung des Vorgangs. “Es ist gefährlich, die Bundeswehr mit dreistelligen Milliardenbeträgen auszustatten, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, eine Videokonferenz abhörsicher abzuhalten”, sagte die Linken-Chefin mit Verweis auf das Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Untersuchungsausschuss laut SPD-Politiker Ralf Stegner “nicht angemessen”

Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte nach Bekanntwerden der Abhöraffäre am Wochenende einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht.  SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner wies diese Forderung zurück. Ein solcher Ausschuss sei nicht angemessen, sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. “Die Forderung ist Oppositions-Klein-Klein.” Aber natürlich müsse aufgeklärt werden, wie es zu diesem Propaganda-Erfolg für den russischen Präsidenten Wladimir Putin habe kommen können, sagte der SPD-Politiker. Er kritisierte die Bundeswehr-Offiziere dafür, dass sie in einem nicht geschützten Medium über einen möglichen Taurus-Einsatz “leichtfertig dahergeplappert” hätten.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich am Sonntag zurückhaltend zur möglichen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geäußert. Es stelle sich die Frage, ob der Vorgang einen Untersuchungsausschuss mit all seinen innenpolitischen Implikationen und all dem, was dann öffentlich diskutiert werde, rechtfertige, sagte der Minister.

Ein russischer Staatssender hatte am Freitag den Mitschnitt eines Gesprächs per Webex zwischen vier Bundeswehroffizieren über einen möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern durch ukrainische Streitkräfte veröffentlicht. Darin geht es um den seit Monaten von der Ukraine gewünschten Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben.



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