Grasland bietet vielen Arten Lebensraum. Vor allem in Ländern in Afrika wird dort großräumig Wald gepflanzt. Einige Forscher sehen das kritisch.
BERLIN taz | Der Wert von Wäldern für den Klima- und Artenschutz hat sich inzwischen herumgesprochen. Dass aber auch Grasland – etwa eine Savanne – ein wichtiger Kohlenstoffdioxidspeicher und Lebensraum ist, ist noch nicht so tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Im Rahmen von Aufforstungsprogrammen werden deshalb vor allem im subsaharischen Afrika Savannen großflächig in Wälder verwandelt – und dabei besondere und wichtige Lebensräume vernichtet. Darauf weisen Umweltwissenschaftlerinnen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science hin.
Sie haben 34 ganz unterschiedliche Länder der African Forest Restoration Initiative (AFR100) und ihre Projekte vor Ort untersucht. AFR100 hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2030 rund 100 Millionen Hektar Land durch Aufforstung und natürliche Regeneration wieder in ihren natürlichen Zustand zu bringen. Aufforstungen in Savannen sind dabei ausdrücklich zu vermeiden.
Doch laut den Forscherinnen finden 52 Prozent der Baumpflanzungsprojekte in Graslandschaften statt, weil sie häufig fälschlicherweise als „Wald“ klassifiziert und so für Baumpflanzungen ausgewiesen würden. Außerdem bemängeln die Wissenschaftlerinnen, dass bei der Aufforstung zu fast 60 Prozent nicht-einheimische Baumarten verwendet würden.
AFR100 geht zurück auf die sogenannte „Bonn Challenge“, 2011 ins Leben gerufen durch die internationale Naturschutzorganisation IUCN und die deutsche Bundesregierung. Ihr Ziel: Bis 2030 sollen weltweit rund 350 Millionen entwaldete und degradierte Flächen wieder mit Bäumen bepflanzt sein, um die natürlichen Ressourcen zu schützen. Damit offene, von Natur aus nicht bewaldete Ökosysteme dabei nicht zerstört werden, sollen etwa Savannen oder Steppen nicht mit Bäumen bepflanzt werden. Das ist allerdings leichter gesagt als umgesetzt.
Wald oder Savanne?
Denn zu bestimmen, was Wald ist und was Savanne, ist gar nicht so leicht. Etabliert habe sich inzwischen die Definition der Welternährungsorganisation FAO, sagt Sven Günter, Leiter des Arbeitsbereichs Waldwirtschaft weltweit am Thünen-Institut für Waldwirtschaft in Hamburg. Das heißt: Eine Fläche von einem halben Hektar (also 5.000 Quadratmetern) muss mindestens zu 10 Prozent mit Bäumen bewachsen sein, die mindestens fünf Meter hoch sind.
Wichtig sei dabei das Kleingedruckte, so Günter, denn nur bestimmte Bäume gelten dabei als quasi „waldfähig“: Bambus oder Palmen ja, Obstbäume oder Ölpalmen aber nicht. Je nachdem, ob eine Baumart eher Agrarprodukte oder eher Forstprodukte generiert, gilt die Fläche als Wald oder eben nicht.
Eine Savanne hingegen ist laut Definition vollständig mit Gras bedeckt, dazwischen finden sich zerstreut mal mehr, mal weniger Bäume. Einige große Nationalparks in afrikanischen Ländern, in denen zum Beispiel Zebras, Giraffen und Elefanten leben, sind Savannen.
„Das ist kein ödes Grasland, dort wachsen verschiedenste Grasarten und krautige Pflanzen, die während der Regenzeit blühen, dort leben Insekten und kleine Nager“, sagt Almut Arneth, Ökosystemforscherin am Karlsruher Institut für Technologie. Bepflanze man die Grasflächen mit Bäumen, erzeuge man mehr Schatten, bestimmte Pflanzen- und Tierarten würden verdrängt. Savannen sind ein weltweit verbreitetes Ökosystem: Es gibt sie in Afrika, Australien und Lateinamerika, und sie bieten wichtige Lebensräume für speziell an sie angepasste Arten.
Wissenschaftler fordert klare Regeln
„Das ist kein ödes Grasland, dort leben Insekten und kleine Nager“
Das Ringen um die Definitionen ist nicht nur Wortklauberei: „Wir Wissenschaftler brauchen klare, objektive und messbare Regeln, die es ermöglichen, die Ansprüche von Naturschützern, Landnutzern und Verwaltungen abzuwägen“, sagt Waldwirtschaftsexperte Günter, „so, wie es jetzt die Wissenschaftlerinnen in dem Science-Artikel tun“. Sie sähen die Biodiversität in Savannen bedroht und kritisierten in diesem Zuge Aufforstungen.
„Natürlich dürfen nicht überall blind Bäume gepflanzt werden“, sagt Günter. „Allerdings leben in den Savannen Millionen von Kleinbauern und Nomaden, die Holz dringend als Energielieferanten, Viehfutter und Baumaterial brauchen.“ In diesem Sinne seien Aufforstungen also durchaus sinnvoll.
Es komme weniger auf das Ob an als vielmehr auf das Wie, sagt Abubakar Bello, Pflanzenexperte am Institut für Biologie an der Uni Leipzig. Er sieht Aufforstungen afrikanischer Savannengebiete mit heimischen Baumarten wie der Akazie positiv. Allerdings würden für Neupflanzungen noch immer in großem Umfang Eukalyptus und Neembäume genutzt. Diese kommen aus Australien und Indien und stellen in Afrika invasive Arten dar, die viel zu viel Wasser verbrauchen und Tieren aus der Region keine Nahrungsquelle bieten. Zudem unterdrückt der Neembaum das Wachstum anderer Pflanzen in seiner Umgebung und wirkt sich somit nachteilig auf die Ökosysteme vor Ort aus.
Obwohl die nachteiligen Wirkungen von Eukalyptus und Neem auf die afrikanischen Savannen bekannt sind, würden sie noch immer großflächig eingesetzt, so Bello. „Beide Baumarten wachsen schnell, sind trockenresistent, pflegeleicht und werden von den Tieren vor Ort nicht gefressen“, sagt der Experte für Pflanzenbestimmung. Es sei wichtig, in künftigen Aufforstungsprojekten auf die beiden zu verzichten.
Wälder sind wichtige CO2-Senken
Ökosystemforscherin Arneth warnt vor allem vor überzogenen Erwartungen an Aufforstungen. „In der Debatte über Maßnahmen gegen den Klimawandel setzt sich fest, dass wir einfach nur viele Bäume pflanzen müssen, dann wird alles gut werden“, kritisiert sie. Natürlich nehme der Wald Kohlenstoffdioxid auf, und Wälder seien wichtige CO2-Senken.
„Aber wenn wir Wälder in Savannen pflanzen, zerstören wir diese lokalen Ökosysteme, vertreiben Pflanzen und Tiere, die an das Gemisch von Bäumen und Gräsern angepasst sind“, so Arneth. Um den Klimawandel zu bekämpfen, sei es wichtig, schnell aus fossilen Energien auszusteigen, „darum kommen wir einfach nicht herum“, sagt Arneth.