Die Grünen sind zum Feindbild vieler Menschen geworden. Die Gewalt richtet sich aber nicht nur gegen sie, sondern gegen die Demokratie an sich.
Hört man sich derzeit bei den Grünen um, ist viel Beschwichtigendes zu hören. Dass die Angriffe nicht nur die eigene Partei treffen, heißt es. Von Neueintritten, Solidarität und den Demos gegen Rechtsextremismus ist die Rede. Parteichefin Ricarda Lang lacht das Problem klein und erzählt, wie sie nach einer Parteiveranstaltung in Magdeburg, im Polizeiauto auf eine gefahrlose Abfahrt wartend, die To-do-Liste für ihre Hochzeit abgearbeitet hat. Also alles halb so schlimm? Mitnichten.
In Biberach und Schorndorf, in Magdeburg und am Hafen in Schlüttsiel ging es nicht um etwas deftiger vorgetragenen Protest. Es ging um das Recht auf Versammlungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit. Und wenn, wie jüngst in Thüringen, ein Kleinbus mit Journalist*innen daran gehindert wird, den grünen Wirtschaftsminister bei einem Werksbesuch zu begleiten, wird die Pressefreiheit eingeschränkt. Es sind Grundpfeiler der Demokratie, die angegriffen werden. In diesem wichtigen Wahljahr könnte sich das weiter zuspitzen.
Dennoch ist es verständlich, dass die Grünen versuchen, das Thema nicht allzu hoch zu kochen. Sie fürchten die Genugtuung für die Täter und für sich die Opferrolle, denn mit Mimimi und Mitleid gewinnt man keine Wahlen. Aber Grüne und ihre Räume sind laut Polizeizahlen ganz klar die, die am häufigsten angegriffen werden.
Richtig ist deshalb, dass Lang und auch Fraktionschefin Katharina Dröge jetzt einen Schulterschluss der demokratischen Parteien einfordern, insbesondere von der Union. Dort bleibt es bislang erschreckend still.
Zwar haben sich einzelne Christdemokrat*innen wie Armin Laschet und Karin Prien in Posts solidarisch erklärt. Ihr Vorsitzender Friedrich Merz aber zog es vor, zu verkünden, dass sich die Grünen mit ihrer Politik den wütenden Mob selbst eingebrockt hätten. Dabei haben Merz, Markus Söder und Hubert Aiwanger die Stimmung gegen die Grünen mit angeheizt.
Die Attacken richten sich gegen die Demokratie – und damit auch gegen die Union
Noch viel schlimmer aber ist, dass diese entweder nicht begreifen, wie ernst die Lage ist – oder bereit sind, dies parteipolitischem Kalkül zu opfern. Die Attacken richten sich ja nicht nur gegen die Grünen, sondern gegen die Demokratie. Um damit auch gegen sie. Nur mit dieser Kurzsichtigkeit ist auch zu erklären, dass Merz die Gespräche mit der Ampel darüber, wie man das Bundesverfassungsgericht demokratisch absichern kann, plötzlich auf Eis gelegt hat.
Der Politikwissenschaftler Giovanni Capoccia hat untersucht, wie sich Demokratien in der Zwischenkriegszeit erfolgreich gegen rechtsautoritäre Angriffe geschützt haben. Sein Fazit: Der demokratische Konsens muss gehalten werden. Man wünschte, die Verantwortlichen der Union würden sich Capoccias Analysen zu Herzen nehmen.