München – Immer wieder wird in München über den Denkmalschutz von Gebäuden gestritten. Aber was genau macht ein Gebäude eigentlich denkmalwürdig? Ein Gespräch mit Lydia Haack, der Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer über Gebäude, die ihre Epochen verkörpern – und die Vorteile von Bestand gegenüber dem Neubau.

AZ: Frau Haack, wann ist ein Gebäude denkmalwürdig?
LYDIA HAACK: Es gibt verschiedene Kriterien für den Denkmalschutz. Zum einen muss das Gebäude aus einer vergangenen Zeit stammen. Und zum anderen soll es ein besonderes Zeugnis seiner Zeit geben. Man möchte ja nicht alles unter Denkmalschutz stellen, sondern nur die “Highlights” einer bestimmten Zeit, die diese besonders eindrücklich widerspiegeln.

Lydia Haack ist Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer.
Lydia Haack ist Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer.
© Tobias Hase / ByAK
Lydia Haack ist Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer.

von Tobias Hase / ByAK

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Denkmalschutz in München: Das sind die entscheidenden Faktoren

Und wer entscheidet, was ein Highlight ist?
Für den gesetzlichen Rahmen ist in Bayern das Landesamt für Denkmalpflege zuständig. Neben dem gibt es noch die unteren Denkmalschutzbehörden, die quasi auf regionaler Ebene im Einzelfall entscheiden. Und bei Unsicherheiten kann man den Landesdenkmalrat fragen, der Empfehlungen herausgibt und oft noch einmal eine andere Sichtweise bereithält.

Wie alt muss ein Gebäude mindestens sein, um als denkmalwürdig zu gelten?
Das hat nur mittelbar etwas mit dem Alter zu tun. Die Frage ist, ob es aus einer vergangenen Zeit stammt. Die jüngsten Gebäude in München, die unter Denkmalschutz stehen, stammen aus den 70er und 80er-Jahren.

Tierklinik mit Schlangenbrunnen: Denkmalwürdig? Um diese Frage gibt es derzeit Streit.
Tierklinik mit Schlangenbrunnen: Denkmalwürdig? Um diese Frage gibt es derzeit Streit.
© Bernd Wackerbauer
Tierklinik mit Schlangenbrunnen: Denkmalwürdig? Um diese Frage gibt es derzeit Streit.

von Bernd Wackerbauer

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Können Sie Beispiele nennen?
Zum Beispiel das Hypo-Hochhaus am Arabellapark, die Kirche St. Monika in Neuperlach und das Europäische Patentamt. Die stammen alle aus dieser Zeit. Oder das Olympische Dorf, das steht ebenfalls unter Denkmalschutz.

Was ist denn Ihrer Meinung nach das schönste Baudenkmal in München?
Das Hypo-Hochhaus mag ich auf jeden Fall sehr. Aber grundsätzlich ist meine Haltung, dass das Konzept des persönlichen “Lieblings” der Idee des Denkmalschutzes widerspricht. Beim Denkmalschutz geht es schließlich gerade nicht darum, das Lieblingsgebäude von irgendwem zu erhalten, sondern ein Ensemble, das eine ganze Epoche widerspiegelt – unabhängig davon, welche Gebäude davon einem persönlich gut gefallen.

Gebäude in München mit Denkmalschutz: Geringe Zahlen

Wie viele Gebäude in München stehen denn überhaupt unter Denkmalschutz?
Das sind eigentlich nicht so viele, wenn man bedenkt, was für eine Bedeutung der Denkmalschutz hat. Das gilt für ganz viele Bereiche. Nehmen wir den Tourismus: Wenn man einen Städtetrip macht, dann fährt man ja nicht ins Neubaugebiet. Angesichts dessen stehen nicht übermäßig viele Gebäude unter Denkmalschutz: In Bayern sind es 1,3 Prozent. Dazu kommen 2,5 Prozent, die unter Ensembleschutz stehen, so wie die Maximilianstraße oder die Ludwigstraße. Und dann kommen noch einmal etwa fünf Prozent der Gebäude dazu, die in der Nähe von Baudenkmälern stehen und deshalb auch nicht einfach so verändert werden dürfen.

Wenn ein Gebäude unter Denkmalschutz steht, dann kann man es nicht mehr einfach abreißen und neu bauen. Für Architekten wahrscheinlich ein Ärgernis, oder?
Nein, eigentlich nicht. Denkmalschutz bedeutet schließlich nicht, dass man an einem Gebäude nichts mehr verändern darf. Man braucht nur eine Genehmigung von der Behörde dafür. Und ob die erteilt wird, hängt vom Charakter der Änderung ab.

114 Meter hoch: das denkmalgeschützte Hypo-Hochhaus.
114 Meter hoch: das denkmalgeschützte Hypo-Hochhaus.
© Sigi Müller
114 Meter hoch: das denkmalgeschützte Hypo-Hochhaus.

von Sigi Müller

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Was heißt das?
Stellen wir uns mal als Beispiel ein Fachwerkhaus vor. Dessen Identität ergibt sich aus dem Fachwerk-Charakter; wenn es unter Denkmalschutz steht, darf also dieser Charakter bei Umbauten nicht verändert werden. Wenn ich da also außen ein Wärmedämm-Verbundsystem anbringen will, werde ich dafür wohl keine Genehmigung bekommen. Aber wenn ich die Fenster austauschen möchte und diese nach Bauart dem Original möglichst entsprechen, dann ändert das nichts am Charakter des Hauses – das wird wahrscheinlich genehmigt werden. Zumindest, so lange die neuen Fenster nicht knallbunt sind.

Aber wünscht man sich als Architektin nicht trotzdem eher, neu bauen zu dürfen, als sich an ein bestehendes Gebäude anpassen zu müssen?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Meiner Meinung nach werden aktuell Gebäude allgemein viel zu schnell abgerissen. Für Investoren ist es oft günstiger, neu zu bauen, als den Bestand zu erhalten. Aber das liegt nur daran, dass die Umweltfolgekosten ausgeblendet werden. Wenn ich ein Haus abreiße, dann vernichte ich immerhin den Wert der Substanz und setze CO2 frei – und beim neu Bauen dann gleich noch mal. Langfristig kommt uns das viel teurer, als den Bestand zu erhalten. Aber trotzdem machen das sehr viele, weil es für Bauherren aktuell oft günstiger ist. Da sind einfach die Gesetze nicht mehr zeitgemäß und müssen geändert werden. Aber das gilt natürlich ganz unabhängig vom Denkmalschutz.





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