Lübeck. Die Poliermaschine schiebt sich Zentimeter für Zentimeter über die Kufe. So laut, dass Andreas Babbe zum Telefonieren die Ferienwohnung verlassen muss. Es ist die von Francesco Friedrich, dem sächsischen Bob-König, der bei der Viererbob-WM in Winterberg seinen sechsten Titel im Visier hat. Zur Halbzeit ist er mit 0,27 Sekunden Vorsprung vor dem Berchtesgadener Johannes Lochner auf Goldkurs – mit Bahnrekord im ersten Lauf. Und das auf Wunderkufen aus dem ostholsteinischen Neustadt. Gefräst, geschliffen und poliert von Babbe und Co.
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Exklusiver Kufenlieferant für Friedrich
Anschieben, reinspringen, runterfahren – es sieht immer alles so einfach aus. Und Franz, der Große, also Francesco Friedrich, steht am Ende ganz oben auf dem Treppchen. So war es zuletzt (fast) immer, auch zum WM-Auftakt in Winterberg. „König Franz“ jagte mit Anschieber Alexander Schüller im Zweierbob zum achten Gold, sein insgesamt 15. bei Weltmeisterschaften. „Es sieht so einfach aus, ist es aber nicht“, sagt Friedrich im LN-Telefonat. Sechs Anschieber arbeiten für ihn, dazu kommen eine Physiotherapeutin und sein Heimtrainer Gerd Leopold. Seit vier Jahren gehört das ostholsteinische Unternehmen „F&F Lasertechnik“ dazu. Und das als exklusiver Kufenlieferant. Die Neustädter, deren Kerngeschäft die industrielle Metallverarbeitung ist, haben das Rätsel entschlüsselt, aus einem für alle Teams gleichen Stahlplatten-Rohling „Made in Switzerland“ das passende Kufendesign zu fräsen und dann den richtigen Schliff zu geben.
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Friedrich gilt im Kampf um die letzte Hundertstel als akribischer Tüftler, als Pedant der Eisrinne. Die Wahl der Kufen haben für ihn dabei eine tragende Rolle. Ein Drittel Start, ein Drittel Fahrweise, ein Drittel Material. So splittet der 33-jährige Pirnaer den Erfolg auf. „Und die Kufen sind unser Alleinstellungsmerkmal, alle fahren sonst den gleichen Brei“, erzählt Friedrich und meint damit die Münchner Firma iXent, die für den Rest der Bobwelt fräst. Friedrich weiß, was er an den Neustädtern hat, nennt sie stets liebevoll „meine Kufen-Spezies“. Superintensiv und cool, so beschreibt er die Zusammenarbeit. „Sie sind immer für uns da.“ Egal ob bei Olympia in Peking oder wie jetzt in Winterberg. Die Ostholsteiner sind mit einer eigens dafür entwickelten mobilen Maschine immer in Polier-Rufweite.
Friedrich ist Technologie-Träger für F&F
Einen ganzen Blumenstrauß an Kufen hat Friedrich im Sauerland dabei. „Da steckt eine Menge an Gehirnschmalz und Geld drin“, verrät Andreas Babbe (56), einer von drei Geschäftsführern. Für Winterberg hat er mit seinem Team eine ganz besondere Kufe gefräst, „speziell für die Bahn-Charakteristik, wir haben mit Franz alles auf die WM ausgerichtet“. In den Wochen zuvor flogen Hunderte von Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe zwischen Sachsen und Ostholstein hin und her. „Da wurde heiß diskutiert, ging es hin und her. Es gibt keinen Piloten, der so intensiv am Kufendesign mitarbeitet wie Franz“, verrät Co-Geschäftsführer Jens Sager (53). „Die Form ist entscheidend“, erklärt Friedrich. „Manchmal werden wir mit bis zu sechs G in eine Kurve gedrückt. Da darf die Kufe nicht zu stark einsinken.“
Andreas Babbe und Francesco Friedrich beim Polieren der Kufen in der Winterberger Ferienwohnung.
Quelle: Sager/hfr
Friedrich ist das dritte F in „F&F Lasertechnik“. Und das lassen sich die Neustädter einiges kosten. Bis zu 10.000 Euro kostet ein Satz Kufen für den Zweierbob, für den Vierer sind es bis zu 14.000 Euro. Für Babbe ein lohnendes Invest, mit Geld nicht zu bezahlen. „Franz ist unser Technologie-Träger. Wenn wir mit Neukunden verhandeln und erzählen, dass wir die Kufen für Friedrich fräsen, brauchen wir nichts mehr erklären“, verrät Babbe. F&F verkauft auch ältere Kufensätze in die Bobwelt, doch Friedrich erhält als „Werksfahrer“ das Topmaterial. Exklusiv. Und das bis 2026, den Olympischen Spielen. Der Vertrag wurde vor zwei Jahren beim Sommerfest in Neustadt per Handschlag besiegelt. Für Friedrich ist es mehr als eine Partnerschaft. „Da hat sich längst eine intensive Freundschaft daraus entwickelt, mit tollen Momenten. Und das macht es ja aus“, sagt er und gibt das Telefon zurück an Babbe. Der Bobkönig will einen letzten Blick auf den Poliervorgang werfen. Noch stehen zwei WM-Läufe aus. Und da überlässt er nichts dem Zufall.
LN