Köln. Als sich CDU-Chef Friedrich Merz die in weiten Teilen rechtsextreme AfD vorknöpft, geraten die Parteimitglieder in Wallung. „Der Unterschied ist ganz einfach“, ruft Merz. „Patrioten wie wir lieben ihr Land. Nationalisten wie die hassen alle anderen. Und das unterschiedet uns fundamental.“ Applaus.

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Die Gürzenich-Festhalle in der Kölner Altstadt ist am Freitagabend proppevoll. Wer keinen Stuhl mehr ergattern konnte, steht an der Seite ‒ zweieinhalb Stunden lang. Die CDU-Führung ist nach Mainz, Hannover, Chemnitz nun in die Stadt am Rhein gereist, um der Basis den neuen 74-seitigen Grundsatzprogrammentwurf vorzustellen.

Hendrik Wüst, Friedrich Merz, Ina Scharrenbach, Jens Spahn, Serap Gueler und Carsten Linnemann auf der Bühne bei der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz im Kölner Gürzenich.

Hendrik Wüst, Friedrich Merz, Ina Scharrenbach, Jens Spahn, Serap Gueler und Carsten Linnemann auf der Bühne bei der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz im Kölner Gürzenich.

1100 Menschen sind gekommen ‒ deutlich mehr als in Chemnitz, wo nur rund 400 Mitglieder der Einladung gefolgt waren. In der Festhalle hat es Merz auch viel leichter, etwa wenn es um eine mögliche Koalition mit den Grünen geht. „Wir müssen mit den demokratischen Parteien konsensfähig, kooperationsfähig und koalitionsfähig sein“, sagt er und nennt die Sozialdemokaten sowie die Ökopartei. In Chemnitz hatte es da schon verärgerte Zwischenrufe gegeben. Merz schiebt noch hinterher: „Aber wir wollen bei der nächsten Bundestagswahl so stark werden, dass wir darüber entscheiden und nicht die anderen.“

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CDU will sich deutlich konservativer positionieren

Dazu soll auch das neue Programm mit dem Titel „In Freiheit leben“ beitragen, das im Mai beschlossen werden soll. In der Migrations- und Integrationspolitik will sich die CDU deutlich konservativer positionieren und Asylverfahren in Drittstaaten auslagern. Sie will eine Leitkultur etablieren und schreibt „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“.

Dass der Islam zu Deutschland gehöre, wie es der ehemalige Bundespräsident und CDU-Mann Christian Wulff einst sagte, ist Geschichte. Der neue CDU-Sound lautet: „Die, die zu uns kommen, müssen sich an unsere Regeln halten.“ So formuliert es Merz.

„Unsere Partei lebt“

Natürlich dient die Programmarbeit auch dazu, die Parteiseele zu streicheln. „Die CDU ist wieder da“, freut sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der die Ausarbeitung verantwortet. „Unsere Partei lebt. Das muss uns mit Freude und Stolz erfüllen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Programmkommission und Kölnerin, Serap Güler. Und es gefällt den Mitgliedern, dass sich die CDU konservativer aufstellt. Ein junger Mann begrüßt, dass das Konservative im Programm bestärkt werde.

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Hauptstadt-Radar

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Doch einer schlägt an diesem Abend etwas zurückhaltende Töne an: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Welche Punkte ihm am Programm am besten gefallen? Der Regierungschef sagt: „Alle Punkte, die die CDU breit aufstellen.“ Die CDU müsse Volkspartei der Mitte sein, betont er. Das Programm sei eine gute „Diskussionsgrundlage“. An einer Grundlage wird ja meistens noch einiges geändert.

Wüst gibt sich zurückhaltend

Kein Wunder: Teile des Grundsatzprogramms stoßen in NRW-Spitzenkreisen auf wenig Gegenliebe. Dabei geht es etwa um den Satz zu den Muslimen oder um das Konzept der Leitkultur, die manche als veraltet empfinden. Und überhaupt sei das Programm nicht zukunftsgewandt genug und biete kaum Überraschung, heißt es.

Im Festsaal ist davon nichts zu hören. Ganz im Gegenteil. Was den Menschen am Programm besonders gefällt, sind die Aussagen zu Sicherheit, Migration, Bildung, Familie – und auch zur Leitkultur. Das sagen sie in einer digitalen Umfrage. Das will Güler auch von Wüst wissen. „Was gefällt dir am besten am Parteiprogramm, Hendrik?“, fragt sie. „Dass wir es haben“, antwortet Wüst, der sich einmal mit den Worten zitieren ließ, die CDU sei keine Programmpartei.

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Drei Minuten Standing Ovations

Ein Vertrauensverhältnis haben Merz und Wüst nicht gerade. Und sie piesacken sich ‒ oft indirekt. „Wenn Merz das eine sagt, sagt Wüst das andere“, heißt es über die Beziehung der beiden in der Union. Sie stehen in Konkurrenz zueinander: Wüst werden Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt, die nun erst nach den Landtagswahlen im Osten entschieden werden soll. Doch an diesem Abend ist es Merz, der besonders gut ankommt. Die Konferenz ist aber auch auf den Parteivorsitzenden zugeschnitten. Drei Minuten Standing Ovations bekommt Merz nach seiner Rede. Der CDU-Chef lacht. Er genießt es.



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